Suche nach freien Zugängen an den Seen

Pörtschach am Wörthersee: Das Gewässer zieht Touristen und Betuchte an.
Der Wörthersee gehört den Reichen und Schönen: 78 Prozent des Ufers sind privat. Das Land will nun sensible Flächen schützen.

"Mir wurde in Deutschland oft vom türkisblauen Wasser des Wörthersees berichtet. Heuer habe ich mich erstmals im Kärnten-Urlaub selbst davon überzeugt. Nur leider sieht man das Wasser kaum. Der See ist ja rundherum verbaut." Sonja Güdisch aus Nordrhein-Westfalen zeigt sich verwundert, dass das Naturjuwel hinter Mauern, Zäunen, Sträuchern und Häusern verborgen bleibt und der freie Zugang stark eingeschränkt ist. Sie macht es sich auf Rat ihrer Bekannten im Edelweißbad bei Pörtschach gemütlich. Dabei handelt es sich um einen kleinen Streifen Wiesenfläche zwischen der Norduferstraße und dem Wörthersee – eines der letzten frei zugänglichen Gratis-Bäder des Touristen-Hotspots.

Suche nach freien Zugängen an den Seen
Seezugang in Pörtschach am Wörthersee. Heidemarie Lippitsch aus Klagenfurt
Heidemarie Lippitsch nutzt es beim KURIER-Lokalaugenschein ebenfalls, obwohl sie in Klagenfurt wohnt. "Ich will ja nur kurz ins Wasser hüpfen, dafür zahle ich keinen Eintritt in einem öffentlichen Bad. Leider gehört der Wörthersee den Reichen und Schönen", kritisiert Lippitsch und begibt sich mit ihrem Klappsessel ins gut besuchte Edelweißbad. Dort drängt sie sich an Alfred Göglburger vorbei, der sich im selben Moment sein Fahrraddress über den Kopf streift. Er ist verschwitzt, weil er 70 Kilometer auf seinem Rennrad heruntergespult hat. Herr Göglburger kommt aus Neumarkt in der Steiermark und sucht nach seinen Radtouren Abkühlung. "Leider wurden die Grundstücke in den vergangenen Jahren an vielen Seen Österreichs verscherbelt, jetzt bleibt für uns kaum Platz übrig", kritisiert er.

Kärnten lässt erheben

Suche nach freien Zugängen an den Seen
Freibad in Pörtschach am Wörthersee. Alfred Göglburger aus Neumarkt
Göglburgers Eindruck konnte bisher nicht durch Datenmaterial untermauert werden. Wie viele Uferflächen privat und wie viele öffentlich sind, wurde weder von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBF) als Eigentümer der meisten Seen, noch von den Ministerien oder Ländern ermittelt.

Der einzige Vorreiter ist Kärnten: Die kürzlich entflammte Debatte um Betuchte, die im Land der tausend Seen immer mehr Ufergrundstücke erwerben, hat dort die Politik wachgerüttelt. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) lässt erheben, wie viele Uferflächen vergeben sind. Für den Wörthersee sind die Daten bereits eingelangt und vielsagend: 78 Prozent der Uferlänge ist in privatem Besitz.

Gemeinsam mit ÖBF, Städte- und Gemeindebund will Kaiser künftig Seezugänge erschließen, digital erfassen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. "Wir wollen keine Konkurrenz zu den Bädern werden, sondern den berühmten kurzen Sprung ins kühle Nass garantieren", betont der Landeshauptmann.

Die ÖBF stellt in Kärnten fünf Naturbadeplätze gratis zur Verfügung. Pressesprecherin Pia Buchner meint zu möglichen weiteren Flächen: "Wir haben einen öffentlichen und einen wirtschaftlichen Auftrag. Die Projekte müssen sich die Waage halten, daher sind individuelle Vereinbarungen erforderlich."

Kaiser plant einen Landtagsbeschluss, um die im Eigentum der öffentlichen Hand befindlichen Grundstücke vor dem Verkauf zu schützen. Dafür will er alle Parteien ins Boot holen. Man werde prüfen, ob der Ankauf frei werdender Seegrundstücke leistbar ist, so Kaiser.

Vorkaufsrecht

Die Schaffung zusätzlicher Badeplätze im öffentlichen Eigentum fordern auch die Grünen in Oberösterreich. Ihre Ziele gehen über einen Privatisierungsstopp hinaus: "Mit einem oberösterreichischen Badeplatz-Fonds soll das Land zum Verkauf stehende Badeplätze für die öffentliche Nutzung sichern und eine qualitative Infrastruktur sicherstellen", sagt Klubobmann Gottfried Hirz. Vorbild sei Bayern. Dort besteht bei neuralgischen Flächen ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand.

Der Badegast verbindet viele Erinnerungen mit "seinem" Gewässer; Erholung findet er meist am selben, an "seinem", See. Aber welcher Teil des Sees gehört eigentlich wem? Was darf man an einem öffentlichen oder privaten Gewässer? Und welchen Nutzen ziehen Seebesitzer aus ihrem Eigentum?

Vorweg: Einen ganzen See kann man gar nicht besitzen, nur die Oberfläche und den Seegrund. Das, was sich dazwischen befindet, wird im Fachjargon "Welle" genannt und gehört rein rechtlich niemandem.

Ob ein See öffentlich oder privat ist, macht für den Besucher einen gewaltigen Unterschied: Bei öffentlichen Gewässern umfasst die Benutzung den "großen Gemeingebrauch", der das "Tränken, Schöpfen, Waschen, Baden, Tauchen und die Benutzung der Eisdecke" einschließt. Das Vokabular beweist: die Formulierung entstammt dem Wasserrecht aus dem 19. Jahrhundert, als man das Gut für sich und das Vieh nutzen durfte. Bei den privaten Seen beschränkt sich der "kleine Gemeingebrauch" auf das Tränken und Schöpfen. Einzäunen somit die Bevölkerung komplett aussperren darf also auch ein privater Besitzer seinen See nicht.

Einnahmen

Der Besitz einer solch außergewöhnlichen Liegenschaft kann allerdings lukrativ sein. Für die Verwendung von Bojen beispielsweise muss eine Jahresgebühr entrichtet werden, selbiges gilt für Stege – da wird pro Quadratmeter abgerechnet. Letztere kosten laut Auskunft der Bundesforste, je nach See, zwischen sechs und 17 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Wobei der Wörthersee der teuerste und der Hallstätter See im oberösterreichischen Salzkammergut der billigste ist. Für Bojen muss man mit 200 und 400 Euro pro Jahr rechnen; allein im Attersee hängen beispielsweise rund 1300 Bojen. Auch die Betreiber von Strandbädern müssen diese Abgaben entrichten.

Napoleons Geschenk

Auf jährliche Einnahmen von rund 100.000 Euro verweist auch Nicolette Waechter. Sie ist die Besitzerin des Mondsees in Oberösterreich. Er ist mit einer Größe von 13,8 Quadratkilometern eines der größten Gewässer Österreichs. Die heute 68-Jährige erbte den See vor 40 Jahren von ihrem Bruder. Napoleon Bonaparte hatte den See im 18. Jahrhundert ihren Vorfahren geschenkt.

Vor vier Jahren hatte Waechter genug von ihren Aufgaben als Seebesitzerin und den ewigen Streitereien mit Lokalpolitikern. Sie wollte ihren Besitz verkaufen. Kolportierte 16 Millionen Euro sollen reiche Russen, arabische Scheichs und Adelige aus Bayern geboten haben. "Aber ich wollte den See nur dem Land Oberösterreich verkaufen", sagt Waechter. Der Deal scheiterte, weil das Land Waechters Vorstellungen nicht erfüllte. "Inzwischen bin ich froh darüber. Ich werde die Agenden nun meinen drei Kindern übergeben, die sollen sich um den Mondsee kümmern."

Besitzverhältnisse

Die Österreichischen Bundes- forste (ÖBV) bewirtschaften 74 der größeren Seen (größer als ein Hektar) Österreichs, darunter beliebte Badeseen wie Attersee, Wörthersee oder Ossiacher See.

Es gibt auch Seen, die im Besitz der Länder stehen, wie der Wallersee, der Mattsee und der Obertrumer See in Salzburg oder der Plansee in Tirol. Der öster- reichische Anteil des Bodensees gehört der Stadt Bregenz sowie den Seegemeinden. Innsbruck kann sich mit dem Achensee schmücken, Zell am See mit dem Zeller See oder die Gemeinde St. Kanzian mit dem Klopeiner See.

Im Privatbesitz stehen der Neu- siedler See (Familie Esterhazy), der Faaker See (Fam. Bucher, Catasta) der Keutschacher See (Fam. Meßner), der Irrsee (Fischereigesellschaft) oder der Mondsee (Fam. Waechter).

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