Studienreise endete im Ambulanz-Jet

Studienreise endete im Ambulanz-Jet
Bei Unfall in Georgien wurden Sitze aus Verankerung gerissen. Wiener Anwalt erhebt Vorwürfe.

Nach dem schweren Verkehrsunfall einer österreichischen Reisegruppe in Georgien recherchiert der Daimler-Konzern in Stuttgart fieberhaft die Ursache für die zum Teil lebensgefährlichen Verletzungen. Die angegurteten Passagiere waren mit den aus der Verankerung gerissenen Sitzen durch den Minibus Sprinter der Marke Mercedes geschleudert worden und gegen fix montierte Ablagetische geprallt.

Der Wiener Anwalt Karl Bernhauser spricht von einem Konstruktionsfehler und macht Daimler wegen Produkthaftung verantwortlich: "Die Gurte waren nicht an der Karosserie, sondern an den Rückenlehnen befestigt. Ich lag festgezurrt mit dem Sitz im Mittelgang, auch meine Frau war eingeklemmt."

Der Anwalt erlitt einen Sprung des Beckens; der linke Arm ist gebrochen, beide Beine sind zerschnitten, "meine Hose steht vor Blut." Mitreisende hat es noch schlimmer erwischt. Bernhauser: "Mein Vater war Arzt, ich kenne mich ein bisschen aus. Ein Internist aus der Steiermark hatte schon eine gelbe Gesichtsfarbe, seine Frau lief mit offenem Unterschenkelbruch herum und rief immer: ‚Franz, Franz!‘."

Jetzt kracht’s

Ein Pharmazeut erlitt einen Wirbelbruch, eine Gerichtspsychiaterin innere Verletzungen, eine Pensionistin aus Niederösterreich einen Schulterbruch. Sie sah das Unglück kommen, rief ihrem Mann noch zu: "Jetzt kracht’s". "Dann zersplitterte schon die Windschutzscheibe", erzählt Pensionist Kurt Jirka dem KURIER: "Wir saßen in der letzten Reihe; die Koffer hinter uns drückten uns zu Boden."

Es passierte am 29. September, dem 4. Tag der für zehn Tage geplanten Studienreise in Gori, dem Geburtsort des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Im Minibus mit 15 Plätzen saßen hinten die zehn Österreicher und vorne, neben dem Lenker, der örtliche Reiseleiter.

Der Lenker eines entgegen kommenden Klein-Lkw, der an dem Tag bereits um zwei Uhr früh mit seiner Ladung losgefahren war, schlief am Steuer ein und prallte frontal gegen den Minibus der Reisegruppe. "Alle sind im Bus auf dem Boden herumgekugelt, von außen hat man uns dann befreit", sagt Kurt Jirka.

Bernhauser erzählt, dass man ihn und seine Frau in ein Provinzkrankenhaus brachte, in dem man nicht einmal für saubere Blutkonserven garantieren konnte. Ein georgischer Bekannter brachte ihn dann mit seinem Privatwagen in die Uniklinik nach Tiflis.

Zwei Schwerverletzte wurden per Flugambulanz in österreichische Spitäler transferiert. Das Ehepaar Bernhauser kehrte am Montag nach Wien zurück, der Anwalt kontaktierte umgehend den Daimler-Konzern. Er verlangt, abgesehen von Schadenersatz, die Rückholung der betreffenden Bauserie des Mercedes Sprinter-Modells in die Werkstätten. Die Sitze seien mangelhaft verankert gewesen. Daher seien sie aus der Halterung gerissen worden und samt den darin angegurteten Passagieren nach vorne gestürzt.

Nur Fahrgestell

Daimler-Sprecher Udo Sürig lässt jetzt erheben, um welches Modell es sich bei dem Unfall gehandelt hat. In Düsseldorf werden nur Sprinter mit acht Sitzplätzen erzeugt. In Dortmund werden Fahrgestelle für Modelle mit mehr Plätzen produziert, auf die fremde Aufbauhersteller dann ihre Karosserien montieren. Da der Unfall-Bus 15 Sitzplätze hatte, könnte es sich um einen solchen Aufbau eines anderen Herstellers handeln. Damit wäre zumindest Daimler aus dem Schneider.

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