Bund zahlt mit
Schon bei der Präsentation des Projekts war klar, dass Wien und NÖ auf eine Co-Finanzierung des Bundes setzen. Wie sich im Nachhinein herausstellt, war zumindest dem Land NÖ der Topf, aus dem das Geld kommen soll, jedoch weniger klar.
Denn es gibt zwei: Einerseits fördert das Klimaschutzministerium (BMK) sogenannte „Vollbahnen“, die auf eigenen Gleiskörpern verkehren. Die Badner Bahn ist so ein Fall; Straßenbahnen, die den öffentlichen Straßenraum nutzen, sind von diesem Topf ausgeschlossen.
Neue Förderschiene
Darum schuf Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) 2020 eine zusätzliche Förderschiene für „Regionalstadtbahnen“, mit der gemeindeübergreifend verkehrende Bims gefördert werden können. In Innsbruck und Linz entstehen bereits solche Projekte. Und es ist eindeutig, dass auch der 72er auf dieser Förderschiene verkehren würde.
Wichtig ist dieser Unterschied, weil bei Vollbahnen sowohl die Errichtung zu 50 Prozent als auch der laufende Betrieb zu 30 Prozent vom Bund unterstützt wird. Bei Regionalstadtbahnen wird hingegen nur die Errichtung gefördert. Im BMK wird das mit dem günstigeren Betrieb von Straßenbahnen begründet.
Zu wenig für NÖ
Genau das schmeckt dem Land NÖ aber nicht, in St. Pölten will man mehr Geld vom Bund. In einer Stellungnahme aus dem Büro von Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) heißt es: „Das Projekt wird vom Land NÖ weiterhin verfolgt, eine ausreichende Finanzierung durch den Bund ist aber entscheidend für die weitere Vorgehensweise.“ Sprich: Ohne Betriebsförderung kein 72er.
Das sei mit Wien so akkordiert, schließlich hätte Mobilitätsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) bei der Präsentation selbst vom „Modell Badner Bahn“ gesprochen. Im November landete folglich ein Brief im BMK, in dem NÖ, Wien, Linz und Innsbruck fordern, auch den Betrieb von Regionalstadtbahnen zu fördern. Eine Antwort auf den Brief ist noch ausständig, hinter vorgehaltener Hand winkt man in Gewesslers Ministerium jedoch bereits ab.
Unterschiedliche Wahrnehmung
In Wien hört man ohnehin eine andere Geschichte. Offiziell heißt es aus dem Büro von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), man stehe „natürlich“ zu dem Projekt und hoffe auf eine rasche Einigung.
Süffisanter Nachsatz: „Wie schnell dies gelingt, hängt aber von der Verhandlungsbereitschaft aller Verhandlungspartner ab.“ Inoffiziell heißt es aus dem Rathaus, man wolle den 72er auf jeden Fall – notfalls auch ohne Betriebsförderung.
Offiziell will sich zu den Betriebskosten niemand äußern. Ein Insider schließt jedoch aus, dass es mehr als 10 Millionen Euro jährlich sein würden. Der Unterschied zwischen Drittel- und 50/50-Finanzierung beträgt also pro Bundesland maximal zwei Millionen Euro.
Sinnvolles Projekt
Der Insider stellt daher infrage, ob NÖ das – von ihm als „auf jeden Fall sinnvoll“ bezeichnete – Projekt jemals wirklich durchziehen wollte. Von Beginn an seien die Vertreter St. Pöltens sehr zögerlich gewesen, obwohl vor allem die Einpendler aus Schwechat profitieren würden. Das ist jedoch freilich nur Spekulation.
Fakt ist: Der 72er droht auf der Strecke zu bleiben. Und mit ihm die Pendlerinnen und Pendler – und der Klimaschutz.
Etwas mehr als eine Stunde nach dem erstmaligen Erscheinen des Artikels am Donnerstagabend trat das Büro des niederösterreichischen ÖVP-Mobilitätslandesrats Schleritzko erneut an den KURIER heran und ersuchte um eine Ergänzung. Man werde natürlich alles dafür tun, keinen Fördereuro in Wien liegen zu lassen. Sollte sich die Ministerin jedoch „querstellen“, werde man das Projekt selbstverständlich weiterverfolgen, hieß es.
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