Strafen für Vermögensdelikte sollen milder ausfallen
Ab Montag diskutieren auf der Richterwoche in Saalfelden Experten und Praktiker über die Reform des Strafgesetzbuches. Eine hochkarätige Kommission unter Leitung von Sektionschef Christian Pilnacek (Justizministerium) soll bis 2015 Vorschläge zu mehr Ausgewogenheit zwischen den Strafen für Wirtschaftskriminalität und Angriffe gegen Leib und Leben erarbeiten.
Erstes Ergebnis: Höhere Strafrahmen bei absichtlicher Körperverletzung, im Gegenzug soll die Höchststrafe bei Untreue (und ähnlichen Vermögensdelikten) bis zu einem Schadensbetrag von fünf Millionen Euro von zehn auf fünf Jahre Haft gesenkt werden. Das würde Fälle wie Ernst Strasser, Wolfgang Kulterer, Gernot Rumpold, Tilo Berlin, Peter Hochegger und andere Manager oder Lobbyisten betreffen.
Nach Einschätzung des Strafrechtsordinarius der Uni Wien, Helmut Fuchs, sind die zuletzt verhängten Haftstrafen allesamt überzogen. Bei Strasser (nicht rechtskräftige dreieinhalb Jahre Haft wegen Bestechlichkeit) fehle es am eingetretenen Erfolg (er bekam das verlangte Schmiergeld für Interventionen im EU-Parlament nicht). Überhaupt würden die Strafen nicht zum Schaden passen. Laut Fuchs (siehe Interview unten) sei die bisherige Höchstgrenze von zehn Jahren bei Untreue über 50.000 Euro für Beträge wie z. B. im Fall Bawag (1,5 Milliarden Euro) gedacht.
Sektionschef Pilnacek bestätigt dem KURIER, dass man über eine Anhebung der Wertgrenze auf das Hundertfache diskutiere, also bis zehn Jahre Haft erst ab fünf Millionen Euro vorsehen könnte. Auch die persönliche Bereicherung könnte ein Kriterium sein. Darunter will man eine Mittelgrenze von maximal fünf Jahren Haft einziehen.
Geldstrafen
Wobei für Professor Fuchs in solchen Fällen "eine ordentliche Geldstrafe in Verbindung mit einer bedingten Haftstrafe in der Regel die passende Strafe ist. Leute, die es um Geld machen, sollen dann auch eine Geldstrafe zahlen. Und wenn sie nicht einbringlich ist, gibt es ja gemeinnützige Leistungen."
Bei der Körperverletzung soll der Vorsatz stärker als bisher in den Strafen spürbar sein. Derzeit macht es keinen Unterschied, ob jemand gestoßen wird und dabei unglücklich zu Sturz kommt oder ob ihm absichtlich mit einem Faustschlag die Nase gebrochen wird: Beides wird mit bis zu einem Jahr Haft geahndet. Die Höchststrafe bei dem Rempler soll künftig mit sechs Monaten limitiert sein. Die absichtliche schwere Körperverletzung mit tödlichem Ausgang soll künftig mit bis zu 15 Jahren Haft (statt zehn) bedroht sein.
Ein weiterer Punkt der Reform StGB 2015 ist die Gewerbsmäßigkeit: Wenn bei einem Dieb angenommen werden kann, dass er das Stehlen als Einnahmequelle für seinen Unterhalt ansieht, springt der Strafrahmen von maximal sechs Monaten auf bis zu fünf Jahre Haft. Außerdem stellt das einen Grund für die U-Haft dar. Dabei reicht schon ein einziger Diebstahl, um diese Gesinnung annehmen zu dürfen. Ein Ansatz wäre die Absenkung der Höchststrafe auf drei Jahre und/oder das Erfordernis, die Gewerbsmäßigkeit durch objektive Umstände wie mehrere Diebstähle hintereinander belegen zu müssen.
Dem Plan von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Mindeststrafe bei Einbrüchen von sechs Monaten auf ein Jahr anzuheben, tritt die Reformkommission nicht näher. Man will im Gegenteil Einbrüche in Lagerräume etc. nur noch mit bis drei Jahren Haft ahnden, um das Unrecht der mit bis zu fünf Jahren Haft bedrohten (in die Persönlichkeit eingreifenden) Einbrüche in Wohnungen höher zu bewerten. Derzeit fällt beides unter den selben Strafrahmen (bis fünf Jahre).
KURIER: Was haben Sie gegen hohe Strafen für Wirtschaftskriminelle?
Helmut Fuchs: Es geht um mehr Augenmaß bei der Strafzumessung, die im Justizbetrieb ein Stiefkind ist. Bei Unbescholtenen sind die zuletzt verhängten mehrjährigen Haftstrafen fast alle zu hoch. Die Betonung der Generalprävention (Abschreckung, Anm.) sollte relativiert werden. Denn sie bedeutet, dass der Menschen als Mittel zum Zweck verwendet wird. Jemand wird höher bestraft, damit jemand anderer keine Straftat begeht.
Warum urteilen die Richter in den bekannten Fällen wie Kulterer&Co. so relativ streng?
Das liegt zum Teil an der Finanzkrise und der Atmosphäre, in der strengere Strafen opportun erscheinen. Auch die Einführung der Fußfessel und Erleichterungen bei der bedingten Entlassung können mitspielen. Die Richter setzen möglicherweise als Gegenstück die Strafen hinauf, weil die von ihnen verhängten Strafen später ohnehin abgemildert werden.
Als Prozessbeobachter muss man feststellen, dass bei Sexualdelikten manchmal auffällig milde Strafen verhängt werden. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das könnte auf die schwierige Beweisbarkeit zurückzuführen sein. Die Richter sehen darin vielleicht einen Grund, die selten durch objektive Beweise fest gemachte Schuld geringer zu bewerten.
Auf den ersten Blick wirkt der Vorschlag der Justizexperten, als wollte man ausgerechnet die Wirtschaftskriminellen künftig mit Glacéhandschuhen angreifen: Die Strafen für Untreue und ähnliche Delikte sollen – sofern keine persönliche Bereicherung vorliegt – bis zu einem Schaden von fünf Millionen Euro von zehn auf maximal fünf Jahre Haft begrenzt werden. Aber dahinter steckt die seit ewigen Zeiten geforderte Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen den Strafen für Vermögensdelikte und jenen für Attacken gegen Leib & Leben.
Dass jemand wegen noch so gefinkelter Malversationen Jahre ins Gefängnis geht, der Vergewaltiger einer 15-Jährigen aber keinen einzigen Tag absitzen muss, ist nur schwer auszuhalten. Und wie kann es sein, dass die „Entziehung von Energie“ (Strom abzapfen) mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht ist, aber wer sein Kind zum Krüppel prügelt, höchstens fünf Jahre befürchten muss? Die Experten hätten zwei Möglichkeiten zum Ausgleich gehabt: Die Strafen für körperliche und seelische Verletzungen zu erhöhen (was sie bei absichtlichen Verletzungen zum Teil ohnehin auch planen) oder jene für Vermögensdelikte zu senken. Wenn man weiß, dass hohe Haftstrafen so gut wie keine Abschreckung bringen, viel Geld kosten, dafür aber die Rückfallgefahr erhöhen, kann man den Vorschlag auf Reduktion einiger Strafrahmen nicht für unklug erachten.
Wobei die ganze Reform des Strafenkatalogs nichts bringt, wenn man nicht endlich das ungerechte Ost-West-Gefälle in den Griff bekommt. Es gilt zwar in Innsbruck das selbe Strafrecht wie in Wien, aber wer in Innsbruck vor Gericht steht, hat signifikant bessere Chancen auf eine mildere bzw. bedingte Strafe.
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