Staatlich geförderte Energetik

Mit Tieren kommunizieren? Laut Energetikern machbar, für Ulrich Berger „Kundentäuschung“
Der "Anstrich von Wissenschaftlichkeit" gefällt Kritikern gar nicht.

Wenn sich Ulrich Berger das Kursangebot des WIFI (Wirtschaftsförderungsinstitut) ansieht, ärgert er sich. Berger ist Mathematiker und Präsident der Gesellschaft für kritisches Denken. Er vertraut auf Zahlen und Fakten. Bei Kursen wie "energetische Tierkommunikation" stellen sich seine Haare auf. "Ich habe ein Faible für die Wissenschaft. Humbug ist mein natürlicher Feind", sagt er. Dass dieser "Humbug" auch noch staatlich gefördert wird, kann er nicht verstehen.

Trendige Kurse

Die Nachfrage nach den Kursen ist allerdings da – in sieben Bundesländern bietet das WIFI Energetik-Ausbildungen an. Astrologie-Angebote gibt es übrigens nicht mehr. Auffallend stark vertreten ist das Thema Energetik in Oberösterreich. "Wir wollen ein kleines, feines Angebot bieten", sagt Produktmanager Stefan Wahlmüller vom WIFI OÖ. Welche Kurse in den Kursplan kommen, bestimmt die Nachfrage. "Wir recherchieren durch Marktforschung, was trendig ist, was die Leute wollen." Das Angebot müsse aber seriös sein, betont er.

Angeboten wird unter anderem "Mantanka – in den Mokassins eines anderen gehen". "Das ist nicht wissenschaftlich belegt. Da geht es um das Bauchgefühl", erklärt Wahlmüller.

Ein Begriff, bei dem Mathematiker Berger wohl eher Bauchweh bekommt. "Das Problem bei solchen Kursen ist: Hier bekommt man teilweise Anleitungen zur Täuschung und Selbsttäuschungen. Man lernt, den Leuten effektiv für Nichts das Geld aus der Tasche zu ziehen." Genauso verhalte es sich bei der Tiertelepathie: "Was man hier lernt, ist, seine eigenen Empfindungen als die des Haustieres wahrzunehmen. Das ist Kundentäuschung."

Die Nachfrage nach Energetik und Esoterik wächst dennoch. "Aktuell haben wir allein in Wien 2500 Humanenergetiker. Auch deshalb, weil der Trend zur Selbsthilfe und Selbstheilung zunimmt", erklärt Berufsgruppensprecher Herbert Lechner. Kritik an seinem Beruf ist er gewöhnt. "Wir lassen diese Menschen in ihrem Glauben, sie sind veränderungsresistent. Das wäre vergebene Liebesmüh’." Manches lasse sich wissenschaftlich eben nicht erklären. "So gesehen müssen wir auch alle Kruzifixe abnehmen."

Das Energetiker-Gewerbe ist frei zugänglich. Ausbildungen dazu muss man keine vorweisen. "Theoretisch kann ich einfach so, weil mir langweilig ist, den Gewerbeschein dafür lösen", gibt Lechner zu. "Aber ich kenne keinen, der das aus Jux und Tollerei gemacht hat."

Zudem gebe es Standesregeln. Teufelsaustreiber etwa hätten in der Berufsgruppe nichts verloren. "Das sind nicht unsere Methoden." Im Bedarfsfall wird die Gewerbeberechtigung entzogen. "Heuer ist das nur ein Mal passiert.

Medizin-kritisch

"Das Esoterik-Angebot wird laufend mehr", beobachtet Ulrike Schiesser, Expertin der Bundesstelle für Sektenfragen. Bedenklich findet sie, dass die Community oft eine Medizin-kritische Einstellung hätte. "Viele finden Impfen gefährlich, in manchen Theorien gibt es gar keine Krankheiten wie Aids. Und ich kenne Fälle, da wurden Präparate gegen Diabetes oder Herzmedikamente ausgependelt", erklärt sie. Mittlerweile habe es in Österreich auch schon zwei dokumentierte Fälle gegeben, in denen Kindern bei Erkrankungen Chlorbleiche zum Trinken verabreicht worden sei – zur Reinigung.

Die verschwommene Abgrenzung zu medizinischen Behandlungen ist auch Mathematiker Berger ein Dorn im Auge. "Da wird zum Beispiel Kinesiologie als Diagnose-System angewandt, basierend auf Muskeltests. Dabei handelt es sich aber um willkürliche Reaktionen, die manipulierbar sind", gibt Berger zu bedenken.

"Durch Kurse am WIFI bekommt das alles einen Anstrich von Wissenschaftlichkeit und Qualitätskontrolle, die es gar nicht gibt. Die Leute sind der Meinung, wenn so etwas am WIFI angeboten wird, muss es Hand und Fuß haben", sagt Schiesser. Esoterik-Kursleiter würden auch ganz bewusst damit werben, dass sie am WIFI unterrichten.

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