"Sprachverbote gehören verboten"

Deutschpflicht?
Bildungsexperten kritisieren Idee von Deutschpflicht an Schulen und in Gemeindebauten.

Das Land Steiermark will Schulen Deutsch in der Hausordnung empfehlen. In Oberösterreich will die Politik bestimmte Sprachen in der Pause verbieten und den Einzug in den geförderten Wohnbau an den Besuch von Deutschkursen koppeln.

Zuletzt sorgte Andreas Rabl, FPÖ-Bürgermeister in Wels, für Aufsehen, weil er einen "Wertekodex" für Kindergärten ausarbeiten ließ. Demzufolge sollen Kinder bis Ende ihres Kindergartenbesuchs jeweils fünf deutschsprachige Gedichte und Lieder vortragen können, die ihnen fix vorgegeben werden.

"Das halte ich pädagogisch und psychologisch geradezu für einen kriminellen Unsinn", sagt der Sprachlehrforscher und Germanist Hans-Jürgen Krumm von der Universität Wien. Und Verena Plutzar, Germanistik-Lektorin an der Uni Wien, hält Sprachverbote und -gebote, wie jenes zur Deutschpflicht in der Pause, für „unhaltbar“.

"Der Welser Entwurf ist sehr unprofessionell und steht teilweise eindeutig im Widerspruch zum aktuellen pädagogischen Stand", pflichtet ihm die oö. Landtagsabgeordnete Petra Müllner (SPÖ), selbst ausgebildete Kindergarten- und Hortpädagogin, bei.

Rabl betont, dass sein Wertekodex an das pädagogische Konzept der Franziskanerinnen von Vöcklabruck angelehnt sei – doch die distanzieren sich von seinem Entwurf: "Jene, ohne unser Wissen entnommenen Teile sind sehr vereinfacht und verkürzt dargestellt", betont die Generaloberin des Ordens, Angelika Garstenauer. Eine derartige Vereinnahmung christlicher Werte sei nicht erwünscht.

Gemeinsam mit anderen Sprachwissenschaftlern und Juristen des Netzwerks Sprachenrechte warnte Krumm am Freitag vor den geplanten Sprachverboten und -empfehlungen: "Egal ob man es Verbot oder Empfehlung nennt, auf die Kinder und Eltern wirkt das wie eine Diskriminierung."

"Dünnes Eis"

"Sprachverbote gehören verboten"
honorarfrei. , University of Oslo, Judith Purkarthofer, Linguistin
Laut der Linguistin Judith Purkarthofer von der Uni Oslo begeben sich Politiker mit derartigen Ideen "auf sehr dünnes Eis". Die oö. Landesregierung etwa agiere damit "ganz klar" gegen die Vorgaben des Bildungsministeriums zum Lehrplan. Der Vorstoß des Welser Stadtchefs sei als "Machtdemonstration" zu werten. Und die Experten sind sich einig darüber, dass gutes Verständnis der Muttersprache auch das Erlernen der Zweitsprache wesentlich ist.

Auch rechtlich sei Deutschpflicht in der Schule oder ein Verbot der Muttersprache nicht haltbar, argumentiert der Jurist Volker Frey vom Klagsverband. Das widerspreche der Menschenrechtskonvention, konkret dem Recht auf Privatsphäre und auf Familienleben. Den Zugang zu geförderten Wohnungen mit Deutschkenntnissen zu verknüpfen, ist laut Frey "völlig absurd". Wer hier lebt und etwa Asylstatus hat, dürfe auch im Gemeindebau wohnen, egal wie gut sein Deutsch sei. Die Experten fordern von der Politik, Mehrsprachigkeit zu forcieren. "Es mag absurd klingen", sagt Krumm, aber: "Sprachverbote gehören verboten."

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