Mittlerweile explodiert die Zahl der Fälle. Laut einer gut informierten Quelle wurden allein in Wien heuer bereits 120 derartige Fälle enttarnt. Die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein. Es geht also im Hintergrund um Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Euro.
Die Polizei ist machtlos gegenüber dem Treiben, denn der Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich festgestellt: Das alles ist nicht strafbar. Sämtliche Gerichtsurteile wurden damit aufgehoben, sogar bereits verhängte Geldstrafen mussten zurückgezahlt werden. Die Höchstrichter fanden keinen Paragrafen, gegen den die Beteiligten verstoßen hätten. Damit sind auch keine Hausdurchsuchungen bei Verdächtigen mehr möglich, laufende Ermittlungen und Verfahren wurden eingestellt.
Die Betrüger bieten ihre Hilfe mittlerweile sogar offen in sozialen Medien an. Zu befürchten haben sie aktuell nichts, außer, dass sie unter Umständen ihr Equipment verlieren könnten, wenn ein Prüfling auffliegt und die Behörde die Geräte einkassiert. Doch der Schaden ist bei den Einnahmen wohl verkraftbar, die komplette Ausrüstung kostet pro Person keine hundert Euro. Mini-Kameras etwa gibt es bereits ab einem Zwanziger online zu kaufen.
"Ein Kollege wollte das Problem mit einem Handy-Störsender regeln, hat aber gleich wieder damit aufgehört, als er erfahren hat welche Strafe im blüht, wenn sein Störsender offiziell wird", berichtet ein erboster Fahrschulbesitzer. Eine Aufsichtsperson, die einem Schummler die "Hilfsmittel" abnahm, sei bis nachhause verfolgt und bedroht worden.
Und weiter: "Jene Personen, die man erwischt, werden lediglich für maximal neun Monate für einen neuerlichen Antritt gesperrt. Besser wäre allerdings eine Sperre von mehr als 18 Monaten. Dann müssten die Kandidaten nämlich die gesamte Ausbildung wiederholen und einen erneuten Führerscheinantrag auf der Behörde einreichen."
Auch Prüfer und die Kontrolleure der Länder fühlen sich zunehmend machtlos und von der Politik im Stich gelassen. Intern würde das teilweise mit dem Schummeln bei einer Schularbeit verglichen, heißt es.
Nur ein Lausbubenstreich?
"Wie man einen solchen Vergleich ziehen kann, ist mir rätselhaft", meint ein Insider. "Erschummelt sich ein Schüler eine positive Note bei einem Mathetest, besteht die größte Gefahr darin, dass er sich in Zukunft öfter mal verrechnen wird. Hingegen führen mangelhafte oder gar keine Kenntnisse über das richtige und sichere Fahren im Straßenverkehr schnell mal zu äußerst gefährlichem Fehlverhalten und den daraus resultierenden Verkehrsunfällen. Aus meiner Sicht handelt sich um ein kriminelles, hoch dotiertes Geschäft, bei dem man schon fast von organisiertem Verbrechen reden kann. Das Ganze wird aber vom Staat Österreich geduldet und quasi als Lausbubenstreich betrachtet."
Das Büro der zuständigen Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ließ eine Anfrage dazu bisher unbeantwortet. Dabei wird das Problem beispielsweise auch in Deutschland immer größer, dort wurden im Vorjahr 2700 Schummelversuche entdeckt - ein Plus von fast 40 Prozent.
Update - mittlerweile ist eine Stellungnahme aus dem Verkehrsressort, eingetroffen. Darin heißt es: "Das Phänomen von Betrugsversuchen bei Führerscheinprüfungen ist nicht gänzlich neu – deshalb gibt es einerseits den sogenannten „Schummelerlass“ des Ministeriums aus dem Jahr 2016, der klare Regelungen für dieses Fall festlegt und definiert, was als Schummeln zu werten ist. Zudem wurde im Rahmen der FSG-Novelle 2019 festgelegt, dass im Falle von Schummelversuchen der Antritt zur Führerscheinprüfung für neun Monate gesperrt wird. Das OGH hat grundsätzlich festgestellt, dass solche Verhaltensweisen nicht gerichtlich strafbar sind. Deshalb ist das wirksamste Mittel die konsequente Aufmerksamkeit und Kontrolle der Aufsichtspersonen bei der Prüfung. Zudem werden wir selbstverständlich mögliche Verbesserungen des gesetzlichen Rahmens insbesondere auf die Hintermänner von technischen Schummeleien prüfen.“
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