Der mit Abstand häufigste ist, dass es bei einem Fall ein „besonderes öffentliches Interesse“ gibt. 123 solcher Fälle hatte der Weisungsrat dieses Jahr bis zum Sommer zu behandeln, das sind wieder mehr als doppelt so viele wie 2018 mit 47 Fällen.
Zudem berät das Gremium über das Vorgehen bei Verfahren, in denen ein „oberstes Organ“ betroffen ist – also etwa der Bundeskanzler, Vizekanzler oder ein Minister. Das traf heuer in den ersten beiden Quartalen in 19 Fällen zu (2018: 7). Welche Fälle das genau waren, darüber gibt es keine Auskunft.
Der dritte Grund ist im Zuge des Justiz-Streits in der Eurofighter-Causa zum Reizwort geworden: Eine Weisung. Dem zuständigen Sektionschef im Ministerium, Christian Pilnacek, war vorgeworfen worden, er habe Teile des Verfahrens abdrehen wollen. Der Vorwurf ging ins Leere, dennoch blieben Zweifel, wie weit er seinen Einfluss in heiklen Verfahren geltend macht. SPÖ, Neos und Liste Jetzt versuchten jüngst, die Weisungsbefugnis von seiner Sektion zu trennen. Ein entsprechender Antrag scheiterte vergangene Woche im Plenum.
Das Ministerium macht eine Weisung, wenn es zu einem anderen Schluss kommt als die Ermittlungsbehörde – etwa, dass noch mehr ermittelt, eingestellt oder angeklagt werden müsse. Vorher muss aber der Weisungsrat konsultiert werden.
Bereits 21 solcher Weisungen plante das Justizministerium in den ersten beiden Quartalen 2019, im Vorjahr waren es im vergleichbaren Zeitraum lediglich elf. Auch in diesem Teilbereich steuert die Justiz auf einen neuen Rekord zu: Im ganzen Jahr 2017 gab es 30 Weisungen, die der Weisungsrat vorab überprüft hat.
Warum die Zahlen in den vergangenen Monaten so stark gestiegen sind? Einerseits, so heißt es aus dem Ministerium, weil es heuer eben eine Vielzahl aufsehenerregender Fälle gab. Andererseits zeigen die Zahlen, dass das Ministerium sich mit der Konsultation immer häufiger absichern will.
Auch die Medien spielen da eine Rolle: Sobald über ein Verbrechen stärker berichtet wird als üblich, fällt das Ermittlungsverfahren dazu in die Kategorie „öffentliches Interesse“. Und wird somit von allen Seiten noch genauer beobachtet.
An der Spitze des Weisungsrates ist Generalprokurator Franz Plöchl, das Gremium hat insgesamt neun Mitglieder und tagt zu dritt in wechselnder Besetzung. Die drei Top-Juristen geben eine Empfehlung ab – in der Regel folgt das Ministerium dieser. Zumindest hat das der frühere Justizminister Wolfgang Brandstetter versprochen, als er das Gremium 2016 eingeführt hat.
Brandstetter wollte damit jeden Verdacht, es gebe politische Einflussnahme auf die Rechtssprechung, zerstreuen. Ganz gelungen ist es ihm nicht. Österreich ist eines der wenigen Länder, in denen die Weisungsspitze noch im Justizministerium angesiedelt ist. Und alleine das sorgt – Weisungsrat hin oder her – immer wieder für Kritik. Einige Parteien fordern stattdessen einen Bundesstaatsanwalt.
Verteidigt hat ihn Brandstetter in seiner Amtszeit so: „Hochkarätige Strafrechtsexperten haben sich klar für den Weisungsrat ausgesprochen. Auch ich bin mir sicher, dass der unabhängige Weisungsrat die bestmögliche Lösung ist.“
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