Vom Mount Everest nach Tirol: Wie Sherpas heimische Berghütten retten sollen
Die verzweifelte Suche nach einem Koch auf der höchstgelegenen Schutzhütte Österreichs, der Erzherzog-Johann-Hütte, hat einmal mehr verdeutlicht, wie prekär die Personalsituation im Gastgewerbe ist.
Denn: wer schon im Tal kein geeignetes Personal findet, der hat damit erst recht in alpinen Höhenlagen seine liebe Not. Dabei gibt es in Tirol ein Projekt, das genau diese Situation lösen könnte.
Austauschprogramm
Seit fast 20 Jahren werden Sherpas aus Nepal im Zuge eines Austauschprogramms auf Tiroler Hütten zu Hüttenwirten ausgebildet. Das Ziel dieses Sherpa-Projekts der Nepal Hilfe Tirol lautet: Hilfe zur Selbsthilfe. Denn alle teilnehmenden Sherpas arbeiten in ihrem Heimatland selbst in einer Lodge, als Koch oder im Trekkinggeschäft. "Es ist eine Win-Win-Situation. Die Sherpas nehmen das Wissen und die Standards, die sie in Österreich lernen, wieder mit nach Hause. Und die Hüttenwirte in Tirol kriegen Personal, das bei uns ohne diese Mangelware ist", erzählt Everest-Legende Wolfgang Nairz, der das Projekt ins Leben gerufen hat. Über 100 Mal war er selbst in Nepal. Einst als Expeditionsleiter der ersten Everest-Besteigung ohne Sauerstoff. Es sei seine Art, dem Land etwas zurückzugeben, erzählt er im KURIER-Gespräch.
17 Hüttenwirts-Aspiranten aus Nepal
Dass heuer wieder 17 Sherpas in den alpinen Lagen Tirols aufkochen und dabei lernen, ist dabei nicht selbstverständlich. Denn die Pandemie hatte das Projekt in den vergangene zwei Jahren zum Erliegen gebracht. Leichter sei durch Corona aber nichts geworden. "Es wird immer schwieriger. Nicht, weil wir keine Sherpas, oder interessierte Hüttenwirte hätten, sondern weil die Bürokratie ein Wahnsinn ist", erzählt Nairz.
Behördenauflagen
Denn die Sherpas kommen aus einem Drittland und benötigen deswegen eine Arbeitsgenehmigung vom AMS. Wie viele Sherpas jährlich kommen dürfen, hängt auch damit zusammen, wie hoch die Kontingente generell für Saisoniers aus Drittländern sind. Dies unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Und dann gibt es nicht nur die österreichische Bürokratie, sondern auch jene auf nepalesischer Seite. Werden die Bewilligungen in der Alpenrepublik "zeitnah", wie es im beamtendeutsch so schön heißt, ausgestellt, müssen aber auch Visa und Arbeitsausreisegenehmigungen "zeitgerecht" in Nepal beantragt werden. "Und bei all dem sollen wir dann auch noch Flüge buchen. Das hat heuer wirklich viele Nerven gekostet", sagt Nairz.
Eigeninitiative
Sein Projekt österreichweit aufzuziehen, sei laut Nairz schon alleine wegen dieser Hürden kaum vorstellbar. Doch es gibt genügend Hüttenwirte außerhalb Tirols, die auf das Wissen und die Hilfe von Sherpas setzen und sich in Eigenregie Sherpas als Hüttenpersonal nach Österreich holen. So auch Toni Riepler, der Wirt der Adlersruhe im Schatten des Großglockners. "Wir haben heuer zwei Nepalesen bei uns auf der Hütte. Ohne sie wäre die Saison bisher undenkbar gewesen. Sie sind freundlich, lernen enorm schnell und sind sehr fleißig. Und da sie selbst aus dem Gebirge kommen, haben sie keine verklärten Vorstellungen, wie so ein Job im Gebirge in echt abläuft", erklärt Riepler.
Personalentwicklung im Gebirge
Wie es mit den Personalnöten jenseits der 2.000 Höhenmeter weiter geht? Rieplers Antwort fällt klar aus: „Das wird eher schlimmer, als besser werden.“ Doch der Hüttenwirt hätte eine Lösung. Nach seinem Aufruf für den Job eines Kochs, hätten sich besonders viele Senioren für den Job beworben. "Das sind fitte Leute, die arbeiten wollen. Wenn man hier die Bürokratie weglassen würde, wäre allen geholfen." Everest-Legende Nairz sieht dies ähnlich: "Wir könnten 100 Sherpas nach Österreich holen, die in einer Saison bei uns so viel verdienen, wie ein Lehrer in Nepal in zwei Jahren. Allen wäre geholfen."
Eines hat sich zumindest zum Guten verändert: Durften die Sherpa vor einigen Jahren nur vier Mal in Summe in Österreich arbeiten, so gilt diese Regel nicht mehr. Zwischen dem Mount Everest und dem Großglockner ist nun zumindest diese Hürde Schnee von gestern.
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