Sharing Economy: Geteilte Fortbewegungswelt

Ein Wagen von DriveNow in Wien
Sharing Economy ist auf dem Vormarsch. Was es derzeit gibt, und was bald kommt.

Ein neuer Carsharing-Anbieter hier, eine neue Taxi-App da. In der jüngsten Zeit häufen sich die Meldungen zu neuen Möglichkeiten der Fortbewegung. Der KURIER gibt einen Überblick über die aktuellen Angebote. Denn klar ist: Die weißen Smarts mit den blauen Logos und die weißen BMWs mit dem schwarz-türkisen Schriftzug waren erst der Anfang. Der Automobilmarkt wird sich in den kommenden Jahren markant verändern. Einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zufolge wird 2030 bereits jeder dritte Kilometer in Europa im "Sharing" gefahren. In den ländlichen Regionen könnten solche Angebote den Kauf eines Zweitwagens verhindern – und in Wien vielleicht das Privatauto einmal komplett ersetzen.

Stadtauto startet im November

Lange sind die Carsharing-Standplätze in Wien nicht leer gestanden. Drei Monate nach dem Rückzug des internationalen Sharing-Anbieters Zipcar erhält Wien ein neues Angebot. Am 6. November startet "Stadtauto", ein Angebot der Wiener Firma "Greenmove". Vorerst werden 15 Fahrzeuge zur Verfügung stehen, bis April 2018 sollen alle 70 Fahrzeuge im Betrieb sein.

Die bestehenden Player – Car2Go (700 Fahrzeuge und 130.000 Kunden) und DriveNow (500 Autos und 85.000 Kunden) – lassen sich von dem Neuzugang nicht aus der Ruhe bringen. Ein richtiger Konkurrent ist er ja nicht, denn Car2Go und DriveNow gehören zu Kategorie der "Freefloater": Sie haben keine fixen Standplätze, wie früher Flinkster (verließ Österreich Ende 2015) oder Zipcar (verließ Österreich im August 2017) und nun "Stadtauto".

Die Firma "Greenmove" möchte die Standortgebundenheit zu ihrem Vorteil machen: Sobald die Stadt die entsprechende Infrastruktur geschaffen hat, soll die Flotte von Hybrid- auf E-Autos umgestellt werden. Die Kunden sollen auch mit besonderen Tarifen, etwa für Familien, gelockt werden. Und es laufen bereits Gespräche über Markteinführungen in anderen Städten, nämlich Salzburg, Villach und St. Pölten.

Weder bei Car2Go noch bei DriveNow sind indes Ausbreitungen in andere österreichische Städte geplant. Beim "Freefloating" bedarf es aber auch einer gewissen Einwohnerdichte und Infrastruktur. Das zeigt sich bereits in Wien: In den weitläufigen Flächenbezirken wie etwa Floridsdorf, Donaustadt oder Liesing scheitert dieses System.

Dafür befindet sich ein weiteres österreichweites stationäres Carsharing-Angebot in den Startlöchern: "Rail and Drive" der ÖBB befindet sich in der finalen Testphase. Noch im Herbst sollen die ersten von insgesamt 450 Fahrzeugen an 13 Bahnhöfen zur Verfügung stehen. Mobilität quasi von Tür zu Tür, auch wenn der Zug gar nicht an dem Zielort stehen bleibt.

In den ländlichen Gemeinden wächst zudem das Interesse an Sharing-Angeboten für das Privatauto. Das ist etwa bei den Plattformen "Carsharing 24/7" oder "Caruso" möglich. Außerdem gibt es die Möglichkeit des nichtkommerziellen Carsharings auf Gemeindeebene. In Niederösterreich gibt es in mehr als 70 Gemeinden Elektro-Carsharing, im Mühlviertel wird E-Carsharing überregional an 16 Standorten angeboten.

Uber bekommt Konkurrenz

"Ein Drittel billiger als das normale Taxi." – Mit diesem Slogan hat Uber lange Zeit seine Kunden geködert. Das könnte dem US-Unternehmen nun schwerer fallen. Denn die Fahrtenvermittlungs-App hat Konkurrenz bekommen. Seit eineinhalb Wochen bietet das estnische Unternehmen Taxify seine Dienste in Wien an – und will zehn Prozent günstiger als Uber sein. Möglich ist das, weil man weniger Provision als Uber einstreiche, meint das Unternehmen (15 anstelle von 25 Prozent).

Ebenso wie das US-amerikanische Unternehmen arbeitet Taxify mit Mietwagenfahrern, um sich nicht an den Wiener Taxitarif halten zu müssen.

Doch die Umgehung kann Konsequenzen haben. Das Oberlandesgericht hat ja bereits die ersten zwei einstweiligen Verfügungen gegen Mietwagenunternehmen ausgesprochen, die für Uber unterwegs sind. Als Mietwagen darf man einen Auftrag nur in der Betriebsstätte annehmen, der Preis muss vorab fixiert werden, und nach Vollendung des Auftrags muss der Mietwagenfahrer zur Betriebsstätte zurück. All das passiert bei Uber nicht. Das System gibt die Aufträge direkt an die Fahrer weiter.

Taxify, so argumentiert ein Sprecher, würde vollkommen rechtens agieren. Der Auftrag gelange beim Mietwagenunternehmen ein. Von dort werde es erst an den Fahrer weitergereicht.

Problematisch könnte die Preiskalkulation werden. Gökhan Keskin, Obmann der Taxiinnung in der Wirtschaftskammer Wien, dazu: "Taxify verrechnet 0,33 Cent pro Kilometer und 7,5 Euro pro Stunde. Das sind keine Dumpingpreise mehr, das sind Ramschpreise. Mit Wirtschaftlichkeit hat das nichts mehr zu tun. Außerdem ist es illegal – bei Mietwagenfahrten sind Pauschalen zu bezahlen, die vorab feststehen." Die Wirtschaftskammer will demnächst mit Kontrollfahrten beginnen.

Die deutsche App MyTaxi möchte indes auf anderem Weg billigere Fahrten anbieten. MyTaxi kooperiert mit Taxifahrern, muss sich also an den gängigen Taxitarif halten. Dafür soll kommendes Jahr das Angebot "MyTaxiMatch" starten. Dabei können zwei fremde Personen, die sich zur selben Zeit dieselbe Strecke teilen, gemeinsam fahren und so Geld sparen.

Die Wirtschaftskammer bastelt zudem an einer eigenen App. Die dient dann nicht der Vermittlung, sondern der Übersicht und Sicherheit. Die App soll kommendes Jahr online gehen.

Nicht nur Autos können in Wien geteilt werden, sondern auch motorisierte Zweiräder. Bereits 2015 startete Sco2t (sprich skut) mit konventionell betriebenen Rollern der taiwanesischen Marke Sym. Ende Juli diesen Jahres stockte das Wiener Start-up seine Flotte um 20 Elektroroller auf insgesamt 95 Fahrzeuge auf.

Seit Sommer mischen zwei weitere Anbieter mit. Im Juli rollte der Vespa-Verleiher Mo2drive mit 100 Exemplaren der italienischen Marke an. Nach einer einmonatigen Testphase ging im September auch goUrban in Vollbetrieb. Alle 50 in Wien stationierten Mopeds sind elektrisch angetrieben.

Die drei Anbieter setzen auf das stationslose Freefloating-Prinzip. Helme und Einweghauben werden mitverliehen. Die Preise unterscheiden sich geringfügig: Während Sco2t und Mo2drive 19 Cent pro Fahrminute verrechnen, verlangt goUrban 21 Cent. Die Roller der drei Firmen dürfen mit einem B-Führerschein gefahren werden. Sco2t und Mo2drive verfügen zusätzlich über Modelle nur für Inhaber eines Motorrad-Führerscheins.

Mo2Drive und goUrban strecken bereits ihre Fühler in die Bundesländer aus, Sco2t hat konkret Linz und Graz im Visier. Einen spruchreifen Zeithorizont für die Expansion gibt es aber noch nicht.

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