Selbsttest: Sind Insekten das Essen der Zukunft?

KURIER-Redakteurin Caroline Ferstl hat im Home Office mit Insekten gekocht
Klima- und Corona-Krise verlangen eine Änderung unserer Essgewohnheiten. ZIRP Insects serviert Falafeln mit Würmern.

„Irgendwie nussig“, merkt der Freund kritisch an. „Komisch. Dabei sind da ja gar keine Nüsse drinnen, in den Falafeln“, überlegt er. Der Geschmack kommt also von den Buffalowürmern.

Der nächste Bissen lässt etwas länger auf sich warten.

Selbsttest: Sind Insekten das Essen der Zukunft?

Es folgt die Probe aufs Exempel.

Das Gemüsekisterl nach Hause liefern lassen war gestern. Heute stellt der Postbote ein Paket mit sieben Fertigmischungen zum Kochen und Backen von Suppe, Falafel, Risotto, Haferlaibchen, Brot sowie Brownies und Pancakes vor die Tür. „Im Handumdrehen zubereitet, aus den besten Zutaten und mit wertvollem Insektenprotein“, steht auf der Verpackung.

Nachhaltiges Eiweiß

2011 fasste der Wiener Christoph Thomann den Entschluss, die Welt ein Stückchen besser machen zu wollen – und zwar mit Heimchen, Würmern und Heuschrecken als Möglichkeit für eine nachhaltige und gesunde Ernährung. Denn Insekten gelten nicht nur als ideale Proteinlieferanten, ihre Aufzucht ist auch wesentlich nachhaltiger als die Produktion von Fleisch. ZIRP Insects war geboren.

Selbsttest: Sind Insekten das Essen der Zukunft?

Christoph Thomann, Gründer von ZIRP Insects: „Insekten sind das Protein der Zukunft“

  • Christoph Thomann hat einen Masterabschluss  in Gesundheitsmanagemenet vom IMC Krems. Seitdem beschäftigt sich der gebürtige Wiener damit, wie Ernährung zukunftsverträglicher und gesünder gestaltet werden kann.
     
  • 2011 gründete Thomann ZIRP Insects. Heute ist die Firma marktführend in Österreich. Die Insekten werden aus  Europa bezogen, vorwiegend aus Holland und Belgien. Doch auch Produzenten aus Wien, Vorarlberg und Kärnten beliefern ZIRP. In den kommenden zwei Jahren soll die Lieferung zur Gänze aus Österreich kommen. Seit 2018 findet man die Produkte von ZIRP – Riegel, Pasta, Saucen und Schokolade mit Insekten  sowie die reinen gefrier-getrockneten Insekten – auch im Supermarktregal. Die „7 days for future“-Box kann man online bestellen unter www.zirpinsects.com.

Nicht nur die Klima-, auch die Corona-Krise verlangt danach, ist sich Gründer Thomann sicher: „Es braucht innovative und zukunftsfähigen Ansätzen im Bereich der Lebensmittelproduktion, um unseren Planeten zu retten. Wir sahen die Krise als den idealen Zeitpunkt, unsere lang geplanten Fertigmischungen schon jetzt auf den Markt zu bringen. Ein Bewusstseinswandel muss her.“

„7 days for future“ heißt die Box mit den sieben Fertigmischungen. Als erstes „Gericht der Zukunft“ kommen heute die Falafeln an die Reihe.

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Die Mischung wird mit Wasser und Öl vermengt

Rezept vom Chefkoch

Die Mischung sieht aus wie jeder herkömmliche Falafel-Mix. Kleine Insektenfüßchen, Glupschaugen, lange Fühler und Flügel sucht man darin vergeblich. Die Buffalowürmer wurden zu feinem Mehl gemahlen. Genau darum geht es ZIRP Insects, erklärt Thomann: „Wir wollen das Bild der Insekten aus den Köpfen der Menschen löschen. Das löst zu viel Ekel aus.“

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Nach dem Rühren die Masse ein paar Minuten ziehen lassen

Die Mischung riecht nach Kreuzkümmel und Kichererbsen. Typisch Falafel eben. Jetzt schon kosten? Lieber nicht.

Erst einmal den Mix mit heißem Wasser und etwas Öl in der Schüssel vermengen und anschließend zu kleinen Laibchen formen. Bisschen klebrig, das Ganze.

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Anschließend werden die Falafeln geformt

Der Proteingehalt von 22 Gramm pro 100 Gramm freut natürlich besonders den sportbegeisterten Freund. Herkömmliche Falafeln weisen im Durchschnitt 14 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm auf.

Die kleinen Laibchen werden in Öl herausgebacken. Für die Rezeptur verantwortlich ist der Wiener Küchenchef Peter Petzl: „Kochtechnisch sind Insekten eine Herausforderung: Es ist nicht so, wie wenn man mit Fleisch arbeitet. Insekten brauchen mehr Liebe. Sie schmecken ein wenig nussig, ansonsten aber sehr neutral. Mit den richtigen Gewürzen kann man da viel machen.“

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Abschließend werden die Falafeln in Öl herausgebraten

So, der erste Bissen. „Ihr werdet sehen, das sind die besten Falafeln, die ihr je gegessen habt“, versprach Thomann im Voraus. Logisch, so etwas muss der Hersteller ja sagen.

Ethisch vertretbar

Aber es stimmt. Die Falafeln sind weder trocken noch langweilig, sondern saftig und ein bisschen knackig. Letzteres liegt vermutlich daran, dass die Laibchen etwas zu lange in der Pfanne gebrutzelt haben. Nicht jeder kann ein Meisterkoch sein.

Dennoch: „Können wir wieder machen“, so das Fazit des Freundes.

Nur die vegetarische Schwester ist skeptisch. Dabei haben Insekten nach aktuellem Forschungsstand kein Schmerz-, Stress- oder Selbstempfinden. Ihr Verzehr ist also auch ethisch vertretbar.

Vielleicht können ja die Pancakes morgen zum Frühstück überzeugen.

Alltag in Asien, Innovation in Europa

Zwei Milliarden Menschen essen täglich Insekten. Das ist fast ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung. Käfer, Raupen, Grillen, Heuschrecken und Wanzen stehen vor allem in Afrika, Asien, Südamerika und Australien auf dem Speiseplan.

In Europa sind Insekten erst in den vergangenen Jahren als innovatives Nischenprodukt und nachhaltige Proteinquelle auf dem Markt aufgetaucht. Völlig zurecht: Insekten weisen einen Proteinanteil von bis zu 70 Prozent pro 100 Gramm auf. Zum Vergleich:  Hühnerfleisch hat einen Eiweißgehalt von etwa 20 Gramm pro 100 Gramm, Eier kommen auf  13 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm.

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Beinahe ein Drittel der Weltbevölkerung isst täglich Insekten 

Insekten sind zudem reich an Nährstoffen, Spurenelementen und ungesättigten Fettsäuren. Einige Arten sind sogar cholesterinfrei.

Außerdem ist die Aufzucht von Insekten nachhaltig und klimafreundlich: Verglichen mit konventioneller Viehzucht braucht man viel weniger Platz, Wasser und Nahrung, um Insekten zu züchten. Weniger Treibhausgase sind die Folge.

Ein übermäßiger Verzehr von Insekten, die in der freien Natur gesammelt werden, kann fatale Auswirkungen haben. In Mexiko sind beispielsweise einige essbare Arten vom Aussterben bedroht.

Im westlichen Fachhandel setzt man ausnahmslos auf industrielle Aufzucht. Allerdings fehlt es in einigen Bereichen immer noch an rechtlichen Grundlagen. Aktuell ist bei der Aufzucht eine Menge Handarbeit notwendig. Die Produktionskosten sind daher hoch. Experten rechnen in den kommenden Jahren jedoch mit genaueren Regelungen. Dann wird auch die Produktion von Insekten ansteigen und der Preis langsam sinken.

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