Schneemassen: Schulen bleiben in Tirol und Kärnten teilweise geschlossen
Während im Osten des Landes der Schnee größtenteils schon wieder geschmolzen ist, versinkt der Westen auch am Sonntag im Schnee. Über Nacht hat sich die Lage kaum entspannt - im Gegenteil. "Es schneit und schneit und es hört auch nicht auf", so Rudi Mair, Chef des Tiroler Lawinenwarndienstes. "Ich arbeite jetzt seit 31 Jahren für den Lawinenwarndienst und so eine Wetterlage macht mir große Sorgen.“
Nach Angaben der Österreichischen Unwetterzentrale wurde in Osttirol und Oberkärnten innerhalb von nicht einmal zwei Tagen bereits mehr Niederschlag gemessen als sonst in einem ganzen Winter üblich ist.
Der Lawinenwarndienst Tirol gab am Sonntag für Osttirol die Stufe 5, also die höchste Gefahrenstufe, aus. Das war in den vergangenen 20 Jahren nur rund fünfmal der Fall, zuletzt im Jänner 2019 für einen Tag.
In Nordtirol wurde die Gefahrenlage als weniger extrem eingestuft. Doch auch hier gilt oberhalb der Waldgrenze teilweise Stufe 4, also große Lawinengefahr.Im Westen Kärntens herrscht in den Gailtaler und Karnischen Alpen sowie in den Karnischen Alpen und den Hohen Tauern Lawinenwarnstufe 4.
In Prägraten am Großvenediger ging am Samstagabend ein Schneebrett ab - über 100 Menschen mussten evakuiert werden.
In Tirol waren am Sonntagvormittag zeitweise rund 7.000 Haushalte ohne Strom. Die Störungen in Nordtirol konnten großteils behoben werden, nicht so jedoch in Osttirol, sodass derzeit noch immer 2.600 Haushalte ohne Elektrizität auskommen müssen.
Schulen bleiben geschlossen
Die massiven Niederschläge haben auch Auswirkungen auf den Schulbetrieb. In Osttirol wird am Montag kein Unterricht stattfinden. Dies gelte auch für das hintere Ötztal, so das Land Tirol. Auch in Oberkärnten werden einige Schulen zumindest am Montag geschlossen bleiben.
Die Lienzer Bezirkshauptfrau Olga Reisner ließ zudem wissen, dass am Montag ein Black-Hawk-Hubschrauber des Bundesheeres sogenannte „Downwash-Arbeiten“ an schneebelasteten Bäumen zur Befreiung der Schneelast sowie Erkundungsflüge vornehmen soll. Auch die Befreiung von Dächern mit großer Schneelast werde durchgeführt. Dabei wurde auch auf die Gefährdung bei der Befreiung von Hausdächern von Schneelast hingewiesen.
Kurze Besserung am Montag
Für Lawinenexperte Mair ist bis Montag keine Besserung in Sicht. Nach knapp zwei Meter Neuschnee am Samstag erwartet Mair am Sonntag weitere ein- bis eineinhalb Meter: "Ich sehe keine Tendenz, dass sich bis Sonntagnacht etwas abschwächt. Das werden noch angespannte Stunden, so viel ist sicher."
Laut ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) sind gar bis zur Wochenmitte weitere heftige Schneefälle zu erwarten. Das nächste Italientief wird am Dienstag bei uns wetterwirksam und weitere feuchte Luftmassen stauen sich an der Alpensüdseite. Besonders betroffen sind damit erneut Osttirol und Oberkärnten. Donnerstagfrüh erst soll die Störungszone nach Norden abziehen und Beruhigung einkehren.
Mindestens zwei Meter Neuschnee sorgten seit Freitag südlich des Alpenhauptkammes – in Osttirol, Kärnten und Südtirol – für Chaos. Grund für die großen Neuschneemengen ist ein Italien-Tief, das vom Mittelmeer feuchte und milde Luft an die Südseite der Alpen bringt.
Neuer Niederschlagsrekord
Die Niederschlagsmengen haben bereits jetzt einige Rekorde gebrochen. In Kornat im Lesachtal, Kärnten wurde mit 190 l/m² die höchste Menge innerhalb eines Tages gemessen – so viel wie noch nie zuvor in einem Wintermonat in Österreich seit Beginn der Aufzeichnungen.
Darüber hinaus gab es einige neue Stationsrekorde auf Tages- und Monatsbasis. „Und generell wurde mit meist 150 bis 300 l/m² innerhalb von weniger als zwei Tagen bereits mehr Niederschlag verzeichnet als in einem üblichen Winter (Dezember, Jänner, Februar)“, analysiert Manfred Spatzierer, Chefmeteorologe der Unwetterzentrale.
Tirol: Zeitweise 7.000 Haushalte ohne Strom
In Tirol waren am späten Sonntagvormittag rund 3.500 Haushalte wegen umgestürzter Bäume auf Stromleitungen im Zuge der starken Schneefälle und Unwetter ohne Strom. Die Störungen in Nordtirol konnten großteils behoben werden, nicht so jedoch in Osttirol, sodass derzeit noch immer 2.600 Haushalte ohne Elektrizität auskommen müssen.
Im Ötztal konnte laut Christian Ammer von der Tinetz-Stromnetz Tirol noch am Vormittag eine 110 KV-Leitung wieder repariert werden. Zuvor waren es tirolweit zwischenzeitlich 7.000 Haushalte, die ohne Elektrizität auskommen mussten.
Man habe es mit "massiven Baumbrüchen" zu tun. Die Einsatzkräfte seien rund um die Uhr im Einsatz, könnten aber immer wieder aufgrund gesperrter Straßen nicht zu den betroffenen Störstellen gelangen. Zudem würden sich viele wegen des Baumbruches in einem Gefahrenbereich befinden. Bei der Wiederherstellung der Stromversorgung werde es sich sicher noch um Stunden handeln.
Muren und Lawinen
Am frühen Samstagabend ging in Prägraten am Großvenediger in Osttirol eine Lawine ab, die vier Häuser sowie ein Fahrzeug beschädigte. Über 100 Menschen wurden aufgefordert, ihre Wohnhäuser zu verlassen.
Aus dem von Schnee und Unwetter besonders betroffenen Osttirol wurden indes auch einige Murenabgänge gemeldet - so etwa in Nussdorf-Debant. Dort wurden mehrere Häuser von einer Mure getroffen. Die Feuerwehr war damit beschäftigt, das Wasser abzupumpen. Auch in Leisach, Dölsach und Nikolsdorf waren Feuerwehren im Einsatz.
In Nordtirol kam es in Kolsassberg im Tiroler Unterland zu einem Hangrutsch. Eine Straße wurde dabei auf einer Breite von 15 Metern vermurt. Sie musste für den gesamten Verkehr gesperrt werden. Zudem führten die starken Schneefälle mitunter auch zu Straßensperren. So war etwa die Ötztalstraße zwischen Umhausen und Längenfeld nicht geöffnet.
In Osttirol ist es am Sonntag in Folge der extremen Niederschläge zu einem weiteren Lawinenabgang gekommen. Durch den starken Regen löste sich in der Früh am Heidenberger Feld in Nussdorf-Debant unterhalb der Waldgrenze eine Nassschneelawine. Das Schneebrett erstreckte sich über das Feld und kam direkt hinten den dortigen Häusern zum Stillstand. Durch den Wassereintritt wurden zwei Häuser beschädigt.
Verletzt wurde niemand. Die Bewohner der im Gefahrenbereich befindlichen Häuser wurden evakuiert.
Platter sichert finanzielle Hilfe zu
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) reagiert auf die anhaltend intensiven Niederschläge, die über das Wochenende zu Lawinen, Murenabgängen und Stromausfällen in Ost- und Nordtirol geführt haben. Er sicherte Osttirol finanzielle Unterstützung zu und kündigte in einer Aussendung des Landes an, sich selbst ein Bild der Lage machen zu wollen, sobald es die Lage zuließe. Indes appellierte Bezirkshauptfrau Olga Reisner an die Bevölkerung, zuhause zu bleiben.
"Unser Land Tirol hat derzeit viel zu tragen. Ob die Coronakrise oder jetzt die aktuellen Wetterereignisse", stellte Platter fest und richtete sich an die Blaulichtorganisationen, das Bundesheer und tausende Freiwillige, denen er seinen "tief empfundenen Respekt und herzlichen Dank" ausrichtete. Das Land stehe, versicherte er, den Tirolern "in jeder schwierigen Situation zur Seite".
Lawinensituation könnte schlimmer sein
Lawinenexperte Mair macht sich ob der Situation in Osttirol mit Warnstufe 5 einerseits zwar "große Sorgen", die Lage könnte aber andererseits noch "wesentlich schlimmer sein". Der Grund: Die relativ warmen Temperaturen auch noch in höheren Lagen rund um 1.500 Meter "spielen uns ein bisschen in die Karten."
"Es handelt sich um sehr nassen Schnee, weswegen die Lawinen nicht die große Reichweite haben. Im Fachjargon sagen wir, dass die Lawinen ’früher verhungern’. Das heißt, wir erwarten keine Zustände wie in Galtür 1999, aber durch ihre hohe Masse haben die aktuellen Lawinen dennoch ein großes Zerstörungspotenzial."
Von einer Entspannung könne man aber noch nicht sprechen.
Verkehrssituation angespannt, Zugstrecken blockiert
Die Verkehrssituation ist bereits seit Samstagfrüh angespannt. Zahlreiche Straßen und auch Bahnstrecken in Tirol, Kärnten und in Teilen der Steiermark sind unterbrochen. Die ÖBB gehen davon aus, dass die Sperren bis Montagnacht dauern werden.
Das Land Kärnten hatte bereits am Freitag für das Lesachtal und das obere Mölltal eine Wetterwarnung ausgegeben. Die Behörden stehen in erhöhter Bereitschaft, erklärte Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner: „Der massive Niederschlag wird besonders Oberkärnten betreffen, der starke Wind ist für Unterkärnten prognostiziert.“ Das Bundesheer stellte 100 Soldaten und mehrere Hubschrauber für Unwettereinsätze ab.
Vorerst kein Zugverkehr war auf der Brennerstrecke zwischen Steinach und dem Brenner sowie auf der Karwendelbahn möglich. Gries am Brenner und der Bahnhof Brenner auf italienischer Seite konnten zunächst nicht angefahren werden. Ebenfalls gesperrt war auf der Karwendelbahn der Abschnitt zwischen Reith und Seefeld.
Kommentare