Scheidungskinder: "Papa muss im Auto schlafen"

Scheidungskinder: "Papa muss im Auto schlafen"
Netzwerk vermittelt Gastgeber für getrennte Eltern, die zu Besuch kommen.

Seit der Scheidung fährt Manfred Bauer (Name geändert) zwei Mal im Monat über 1000 Kilometer, um seine Kinder zu sehen. Die Ex-Frau ist im Sommer 2013 "in einer Nacht- und Nebelaktion" mit Sohn (10) und Tochter (8) aus Niederösterreich nach Vorarlberg gezogen, weil sie dort Verwandte hat.

Nach der Trennung hatte Manfred Bauer ein 14-tägiges Besuchsrecht, die Kinder wohnten im selben Ort und kamen übers Wochenende zu ihm. Und jetzt?

Anfangs suchte der Vater jedes Mal eine Ferienwohnung. Im Winter war in den Skigebieten rasch alles ausgebucht. "Ich habe drei bis vier verschiedene Quartiere bezogen. Ich wollte für mich und die Kinder ein eigenes Zuhause schaffen." Also miete Bauer dauerhaft eine Wohnung in der Nähe der Kinder. Er muss zwei Haushalte finanzieren und sitzt die halbe Zeit hinter dem Lenkrad. "Lustig ist das nicht. Aber ich will den Kontakt zu meinen Kindern nicht verlieren, deshalb nehme ich die Strapazen auf mich", sagt er im KURIER-Gespräch.

Zu viel Nähe

So wie Manfred Bauer geht es vielen Vätern (manchmal auch Müttern): Nach der Trennung vom Partner nimmt der eine die Kinder mit, zieht um, vielleicht zu einem neuen Partner, in eine andere Region oder sogar in ein anderes Land. Den Ex-Partner will man bei Besuchen nicht im Haus haben, vielleicht will er auch selbst nicht mehr diese Nähe. Und den Kindern soll keine Hoffnung gemacht werden, dass die Eltern wieder zusammenkommen, nur weil sie ein Mal gemeinsam frühstücken.

Im Religionsunterricht eröffnet der neunjährige Sven seiner Lehrerin, dass der Papa weit weg wohnt. Er kommt ihn jedes Wochenende besuchen, aber das geht halt leider nur im Sommer. "Der Papa muss nämlich im Auto schlafen." Als die Münchner Religionspädagogin Annette Habert diese Geschichte hörte, war die Idee zum gemeinnützigen Projekt "Mein Papa kommt" geboren. Gemeinsam mit dem Soziologen Jobst Münderlein gründete sie 2008 den (durch Spenden finanzierten) Verein Flechtwerk 2 + 1, eine Börse für Gastfamilien.

Es stellte sich heraus, dass sich viele geschiedene Väter oder Mütter die Fahrtkosten und ein Hotelzimmer für den Aufenthalt während des Besuchswochenendes bei den Kindern nicht leisten können. Sie nächtigen im Auto, auf dem Bahnhof, auf einem Campingplatz. Wobei es nicht nur um einen Schlafplatz für Vater oder Mutter geht, sie wissen auch nicht, wo sie die gemeinsame Zeit mit den Kindern verbringen sollen.

600 Gastgeber

Der Verein vermittelt getrennt lebenden Vätern/Müttern kostenfreie Übernachtungsmöglichkeiten bei Gastgebern am Wohnort des Kindes. Es melden sich alleinstehende Personen, kinderlose Paare oder Familien, deren Kinder schon aus dem Haus sind, und bieten kostenlos ein Zimmer zum Übernachten oder ein Spielzimmer an. Außerdem werden vom Verein am Wochenende "Kinderzimmer auf Zeit" in Kindergärten vermittelt. Inzwischen hat das in Deutschland geflochtene Flechtwerk seine Kreise auf Österreich, Dänemark, die Schweiz und Italien ausgedehnt. Es gibt bereits mehr als 600 ehrenamtliche Gastgeber.

Die Sprecherin der Familienrichter in Österreich, Doris Täubel-Weinreich, hat sich die (preisgekrönte) Arbeit des Vereins in München angeschaut und will dem Projekt auch hierzulande zum Durchbruch verhelfen. Sie kennt aus ihrer Praxis viele Fälle, in denen Eltern nach der Trennung weit auseinander leben, oft aus beruflichen Gründen. "Da ist es dringend nötig, dass das Besuchsrecht zu angenehmen Bedingungen – auch für das Kind – ausgeübt werden kann. Die Idee soll unbedingt nach Österreich kommen", sagt die Richterin.

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