Wolfgang Redmann, gelernter Betriebswirt, ist heute Schamane
Die Kundschaft von Schamane Wolfgang Redmann hofft auf Selbstheilung, sucht den Kontakt zu Verstorbenen und experimentiert mit psychoaktiven Substanzen.
Die schamanische Reise beginnt in einer Garçonnière in Wien-Hetzendorf. Hier hat der Duft der Räucherstäbchen jedes Möbelstück durchdrungen. Zwischen Bergkristallen und Engelsfiguren steht der Schamane und ruft Mutter Erde. Dann Vater Sonne. Und schließlich alle Himmelsrichtungen. Sie mögen ihm helfen, den heiligen Raum zu errichten. Heute gehe es darum, sich mit den Spirits zu verbinden, sagt er. Also den Energien, die die Selbstheilungskräfte aktivieren würden.
Der Schamane heißt Wolfgang Redmann. Er spricht mit tiefer Stimme von Krafttieren und Ahnen. Es ist eine andere Welt, die sich hier hinter einer Wohnungstür am Rande des 12. Bezirks verbirgt. Eine Welt, an die viele glauben. Laut einer neuen Studie der Universität Wien versteht sich rund ein Viertel der Befragten als spirituell. 37 Prozent glauben an die Kraft des Universums. Esoterik ist keine Randerscheinung.
Wohl auch deshalb konnte es der Betrügerbande rund um Mariana M. alias „Amela“ gelingen, mehr als sechs Millionen Euro zu ergaunern. Die 44-Jährige soll sich als Schamanin ausgegeben und ihren Opfern vorgaukelt haben, auf Angehörigen laste ein Fluch, den sie mit teuren Reinigungsritualen beseitigen könne.
Freies Gewerbe
Dieser Betrugsfall rückt eine Branche in den Fokus, die seit Jahren einen Aufschwung erlebt. Konkrete Zahlen zu Schamanismus in Österreich liegen der Wirtschaftskammer zwar nicht vor. Dieser ist nicht von der Gewerbeordnung umfasst.
Doch viele Schamanen praktizieren gleichzeitig Methoden der Humanenergetiker – wie die Arbeit mit Edelsteinen oder Aromaölen – und davon gibt es hierzulande 20.285. Tendenz steigend.
„Wir leben in Zeiten, in denen ständig Ängste geschürt werden“, sagt Ulrike Schiesser, Leiterin der Bundesstelle für Sektenfragen im KURIER-Interview. Deshalb würden sich Menschen der Esoterik zuwenden. Dort finden sie Erklärungen und Unterstützung. Oder einfach nur ein offenes Ohr.
Viele hätten niemanden zum Reden, sagt auch Wolfgang Redmann. „Sie schütten mir ihr Herz aus.“ Die Menschen kommen mit Ängsten, körperlichen Beschwerden, zur Trauerbegleitung oder um Kontakt mit dem Jenseits herzustellen.
Schamane Wolfgang Redmann ruft mittels Horn die Ahnen
Aromaöl und Heilstein
Der Schamane rasselt. Er trommelt. Er bläst durch ein Horn. Danach platziert er Heilsteine bei den Füßen und über dem Kopf. Ein tibetischer Chakrenstab helfe bei der Energetisierung. Und Aromaöl auf der Stirn bei der Reinigung. Stichwörter wie Schutz und Harmonisierung fallen. Seine Stimme ist beruhigend.
Traditionelle Schamanen sind eigentlich religiöse Spezialisten der indigenen Völker Sibiriens, Nord- und Südamerikas. In Mitteleuropa hat sich aber das Bild durchgesetzt, dass es sich bei Schamanismus um die ursprüngliche Form von Religiosität handle. Wissenschaftlich untermauert ist dies nicht.
Dieses Missverständnis habe dazu geführt, dass dem Schamanismus hierzulande allerlei Praktiken aus den unterschiedlichsten Ecken der Esoterik zugerechnet werden, sagt Schiesser von der Sektenstelle. Tantra und Astrologie, Pendeln und psychoaktive Trips.
Letzteres bietet auch Schamane Redmann an. Auf Anfrage führt er Rituale mit Fliegenpilzen durch – sie können geraucht, gegessen oder als Suppe getrunken werden. Deren psychoaktive Eigenschaften würden Geist und Seele befreien. Alles legal, wie er betont.
Weitaus üblicher ist bei heimischen Schamanen der Einsatz von Ayahuasca. Die indigenen Völker des Amazonas verwenden den halluzinogenen Pflanzensud bei religiösen Zeremonien. Am Wiener Stadtrand gibt es solche Angebote zum Zweck der Selbsterfahrung. Kostenpunkt: 500 Euro.
Wolfgang Redmann hält nicht viel davon. Es sei immer besser, mit den Früchten des eigenen Landes zu arbeiten, sagt er. Experten raten aus anderen Gründen ab: Halluzinogene können Psychosen auslösen.
Salbei, Engel, Heilsteine: Die Utensilien braucht der Schamane für seine Arbeit
Eine Frage des Glaubens
Der 50-jährige Wolfgang Redmann ist studierter Betriebswirt, arbeitete in der Materialwirtschaft. Doch ein unerfüllter Kinderwunsch brachte ihn der Esoterik näher und ließ ihn seinen Karriereweg überdenken. 2017 machte er sich als Humanenergetiker mit schamanischen Praktiken selbstständig. „Es war ein langer Weg, bis ich dazu gestanden bin, dass ich Schamane bin“, sagt er. Manchmal werde er belächelt. Heute aber gehe er selbstbewusst damit um.
Schamanismus hat auch das Leben von Iris Zachenhofer verändert. Vor vielen Jahren habe die Wiener Neurochirurgin und Psychiaterin gesundheitliche Probleme gehabt. „Mein damaliger Chef im AKH hat mir geraten, zu einem Schamanen zu gehen. Ich hab’ mir gedacht: Oh Gott, so weit ist es schon mit mir gekommen“, sagt sie und lacht.
Schamanismus ist ein freies Gewerbe. Es braucht keine speziellen Qualifikationen, die Ausbildung ist nicht geregelt.
Betrugsfall: Die Bundesstelle für Sektenfrage warnt: Vorsicht, wenn Angst und Druck erzeugt, negative Ereignisse prophezeit und hohe Summen verlangt werden.
37 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glauben laut einer Studie der Uni Wien an die Kraft des Universums, 24 Prozent bezeichnen sich als spirituell.
Doch dann sei sie beeindruckt gewesen: „Er hat so viel über mich gewusst, ohne mich zu kennen.“ Heute arbeitet sie mit Schamanen zusammen. Denn manchmal, sagt sie, stoße die Schulmedizin an ihre Grenzen.
Wissenschaft und Esoterik – das schließt sich auch für Wolfgang Redmann nicht aus. „Spiritualität beginnt dort, wo die Quantenphysik aufhört.“
Der Schamane legt seine Hände auf. „Für heute ist mir gekommen, dass wir die Chakren harmonisieren dürfen“, sagt er. Im unteren Rücken habe er eine Blockade lokalisiert. Deshalb rät er, sich regelmäßig zu erden – barfuß auf der Wiese. In der Garçonnière in Wien-Hetzendorf geht die schamanische Reise zu Ende. Was bleibt, ist der Eindruck einer anderen Welt. Und der Duft der Räucherstäbchen in der Kleidung.
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