„Ein Wunder, dass du noch lebst“

Stefan Hochstaffl mit Sam
Vier reale Wiedergeburt-Geschichten – abseits der globalen Weltuntergangs-Stimmung
Von Uwe Mauch

19. Stock, Wiener AKH, roter Bettenturm: Die Tür geht auf – und da sitzt er. Der Fredl, auf seinem Krankenbett. So, als wäre ihm nie was passiert. So ein Moment geht selbst einem Berufsfeuerwehrmann nahe, auch wenn der in 21 Dienstjahren viel erlebt hat.

Lassen wir daher bitte die Prophezeiungen der Mayas endgültig hinter uns. Reden wir lieber über Menschen, denen soeben ein neues Leben geschenkt wurde.

Es war vor zehn Tagen, am 12. 12. 2012, so gegen 19.30 Uhr. Da saß Feuerwehrmann Jürgen Hauptmann im Aufenthaltsraum in der Wache Am Hof. Nicht ahnend, was er jetzt gleich leisten würde. Noch einmal erzählt er seinem Kollegen, der sich an den eigenen Herzstillstand nicht mehr erinnern kann, heute im AKH, wie alles gewesen ist.

Wie in einem Film

„Ein Wunder, dass du noch lebst“
Lebensretter, AKH
Plötzlich wird es in der Wache Am Hof laut. „Der Fredl ist beim Fußballspielen im Turnsaal zusammengebrochen“, ruft ein jüngerer Feuerwerker, während zwei andere um einen Defibrillator sprinten und ein Dritter die Rettung alarmiert. Der 51-jährige Alfred Ruziczka war umgekippt wie ein gefällter Baum. Sein Herz wird jetzt nur mehr durch ein Flimmern der Nerven versorgt. „Du warst schon komplett blau“, fährt Hauptmann fort. „Für mich warst du schon tot, aber ich habe mir geschworen: Fredl, hier stirbst du uns nicht.“

Und dann macht der Lebensretter alles richtig. Er reißt dem Fredl das Leiberl auf, Kollege Alexander Sykora legt ihm den Defi an, und, als das Display „Schock wird empfohlen“ anzeigt, drückt Hauptmann die Start-Taste. Heute möchte er der Welt sagen: „Es ist einer jener Momente im Leben, in denen man nur gewinnen kann.“

21, 22, 23, ...

15-mal pumpen, ein Mal beatmen. Er pumpt gut 30, 40 Mal energisch. Diese 30, 40 Mal kommen ihm vor wie eine Ewigkeit. Doch dann der Moment der Wende – der Fredl schnappt zum ersten Mal wieder kräftig nach Luft.

Als die Rettung eintrifft, ist die blaue Farbe in seinem Gesicht fast weg. Danach quälen den engagiert agierenden Feuerwehrmann jedoch Zweifel: Wird er überleben? Wie wird er überleben?

Heute sagt Jürgen Hauptmann zu seinem Kollegen: „Es ist ein Wunder, dass du noch lebst.“ Und: „Für mich war bereits Weihnachten. Ich brauche heuer kein Weihnachtsgeschenk mehr.“

Der 16. 2. 2012 wird ihm immer in Erinnerung bleiben: Es ging damals alles so schnell: Der Notruf, die fünf Minuten mit seinem Freund Sam im Helikopter, von seinem Hotel in Gerlos bis zum Lawinenhang in Kaltenbach, dann das Aussteigen, die ersten vorsichtigen Schritte über den brüchigen Schnee der Lawine, das Anlegen der Stöberdecke für seinen Sam. Und das Kommando für den vierjährigen Golden Retriever: „Such voraus!“

Drei Argentinier waren entgegen aller dringenden Warnungen in den Lawinenhang eingefahren, zwei konnten sich befreien und in der Talstation Alarm schlagen. Jetzt zählte jede Minute. Und der Sam tat, was er in einer dreieinhalbjährigen Ausbildung gelernt hatte. Er fand den Verunglückten!

Ein seltenes Glück: Sein Herrl riskiert seit 19 Jahren Kopf und Kragen am Berg, ehrenamtlich! Er betont: „Es war insgesamt erst meine zweite Lebendbergung.“

Ana Sofia Nistor ist ziemlich genau ein Jahr alt. Sie leidet seit ihrer Geburt an einer heimtückischen Krankheit, die tapferen Eltern leiden mit. An Sofias Gesicht wirkt deutlich älter als das Gesicht einer Einjährigen, ihr Gewicht entspricht hingegen noch immer dem Gewicht eines Neugeborenen.

In den Befunden des Mädchens taucht oft ein komplizierter lateinischer Name auf. Die Ärzte sprechen auch von Zwergenwuchs. Von Geburt an musste Ana Sofia mit einer Nasensonde ernährt werden. Doch zum Glück haben ihre Eltern vom Kinderärzte-Ehepaar Scheer im Landeskrankenhaus Graz erfahren. So sind die aus Rumänien stammenden und in Irland lebenden Nistors Anfang Dezember nach Graz geflogen. Und das war gut so: Seit wenigen Tagen ist die Sonde weg. Und Ana Sofia kann endlich essen und trinken.

Dem langjährigen Polier Anton Schuster aus St. Oswald im Bezirk Melk geht das heute noch nahe: Er hatte, wie man so schön harmlos sagt, Glück im Unglück.

„Ich bin mit dem Motorrad gefahren, und unterwegs war mir so komisch kalt. Dann wollte ich mich zu Hause an den Computer setzen.“ Seine Erzählung stockt an dieser Stelle. „Das Nächste, was ich gesehen habe, waren die Apparate in der Intensivstation.“ Erst dachte Schuster, dem der Termindruck am Bau arg zugesetzt hat, an einen Motorradunfall. Dann hat er vom Arzt gehört, dass einen so schweren Hinterwand-Infarkt nur zwei von hundert Menschen überleben. „Meine Frau Gertrude, die seit dreißig Jahren beim Roten Kreuz arbeitet, hat mir das Leben gerettet.“ Auch Notarzt Jens Sapinsky hat Seines dazu beigetragen. Er sagt heute: „Auf solche Ereignisse blickt man gerne zurück.“

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