Rebell sucht die Nähe der Menschen

Seit Tagen ist dieser Bär auf Reviersuche in Kärnten.
Streuner hält sich nicht an übliche Verhaltensmuster: er ist tagaktiv und streift durch Siedlungen.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, hierzulande in freier Wildbahn einem Bären zu begegnen? Hier muss man differenzieren, denn in Oberkärnten liegt ein solches Treffen heutzutage zumindest im Bereich des Möglichen. Ein Dutzend Wanderer hatten bereits das Vergnügen, einen jungen Braunbären auf Reviersuche zu beobachten – weil sich dieser nicht an die klassischen Verhaltensmuster hält. "Rudolf" entwickelt sich vielmehr zum Medienstar, der das Blitzlichtgewitter und die Nähe der Menschen zu suchen scheint.

"Vier Meter entfernt"

Rund zwei dokumentierte Sichtungen pro Tag trudeln seit Mitte vergangener Woche bei Kärntens Bärenanwalt Bernhard Gutleb ein. Die bislang letzte ereignete sich Montagmittag am Dobratsch: Der Villacher Baumeister Elmar Rauter war am sogenannten Jägersteig unterwegs zum Gipfel. "Ich sah den Bären zuerst in 100 Metern Entfernung auf einer Wiese. Dann kam er mir entgegen und blieb an einem Abhang unter mir stehen. In vier Metern Entfernung sahen wir uns in die Augen. Er richtete sich auf und verschwand wieder. Der Bär ist rund zwei Meter groß, wenn er auf den Hinterbeinen steht", erzählt Rauter und verweist auf Beweisfotos- und ein Video. Dieses veröffentlichte er am Montag auf seiner Facebookseite, bis Dienstagabend waren rund 21.000 Abrufe zu verzeichnen.

"Die Geschichte mit den vier Metern würde ich zwar nicht so wörtlich nehmen", betont Bärenexperte Gutleb, "Aber ja: die Begegnung mit einem Bären war bisher mit einem Lottosechser gleichzusetzen, in Kärnten ist es jetzt ein Fünfer mit Zusatzzahl."

Das liegt daran, dass Rudolf (Namensgeber ist die Familie Mayerdorfer, die den Bären Freitagabend im Bereich der Windischen Höhe in der Gemeinde Paternion fotografierte) ein kleiner Rebell ist: "Wenn sie von ihrer Mutter getrennt sind, werden Bären normalerweise nachtaktiv und streifen am Tag nicht mehr durch die Gegend. Rudolf ist das exakte Gegenteil. Er hält sich nicht an die klassischen Verhaltensregeln", stellt der Experte fest.

Gutleb weiter: "Es ist auch ein wenig frech, dass Rudolf keine Scheu vor Menschen zeigt. Am Villacher Hausberg Dobratsch beispielsweise tummelten sich am Montag sicher rund 5000 Wanderer. Rudolf ist mit seinem geschätzten Alter von fünf Jahren wohl mitten in der Pubertät, ansonsten würde er derartige Gebiete meiden. Hoffentlich lernt er dazu."

Respektabstand

Das Tier wurde am Wochenende sogar in der Nähe von besiedeltem Gebiet in Villach/Warmbad gesichtet. Mit der Futtersuche habe dies nichts zu tun: "Bären fressen zu dieser Jahreszeit hauptsächlich kiloweise Gras. Auf andere Nahrungsmittel hat es der Jungbär nicht abgesehen. Auch nicht auf Schafe", weiß Gutleb.

Da inzwischen schon erste Anzeichen eines "Bärentourismus" zu beobachten seien, rät der Bärenanwalt Beobachtern, stets einen Respektabstand einzuhalten und sich dem Bären nie zu nähern: "Stehen bleiben, beobachten und filmen ist okay. Vom Tier geht keine Gefahr aus. Ihm fehlt es noch an Selbstbewusstsein, er wird stets die Flucht ergreifen."

Reviersuche

Letztlich soll der Jungbär, der aus Slowenien oder Kroatien nach Österreich gelangt ist, aber in den kommenden Wochen in der Abgeschiedenheit seine neue Heimat finden. Daher wird vermutet, dass das Tier zurück in Richtung Goldeck wandern wird.

Weil Rudolf besonders aktiv ist, schätzt Gutleb, dass er binnen 24 Stunden bis zu 70 Kilometer zurücklegen kann. Der Lebensraum eines ausgewachsenen Bären ist rund 100 Quadratkilometer groß.

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