Weshalb noch kein Raser-Auto versteigert wurde
Von Johanna Worel
Erst Sonntagnachmittag wurde ein weiteres Raser-Auto beschlagnahmt: Um 74 km/h fuhr der 20-jährige Tiroler zu schnell. In Wien wurden am selben Tag vier Raser aus dem Verkehr gezogen - auch ihnen droht die Abnahme der Autos.
Diese Fälle fließen erst in die nächste Statistik des Innenministeriums (BMI) ein. Aktuell steht fest, dass in den zwei Monaten März und April 38 Fahrzeuge in acht Bundesländern abgenommen wurden.
Warum bis heute noch keines dieser Fahrzeuge versteigert wurde, erklärt ÖAMTC-Jurist Matthias Wolf. "So ein Verfahren kann ein bis zwei Jahre dauern, das Gesetz ist erst seit März in Kraft."
- Die Gesetzesnovelle von 1. März 2024 besagt, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 60 km/h im Ortsgebiet und mehr als 70 km/h außerorts das Auto vorläufig beschlagnahmt wird.
- Die Behörde kann innerhalb von zwei Wochen das Fahrzeug für beschlagnahmt erklären, um die endgültige Abnahme zu sichern. Voraussetzung dafür ist die bereits bei der vorläufigen Beschlagnahme festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung (60/70-km/h) und ein Führerscheinentzug innerhalb der letzten vier Jahre wegen Raserei oder eines besonders gefährlichen oder rücksichtslosen Verhaltens.
- Als letzte Konsequenz kann die Behörde zusätzlich zur Verhängung von Geldstrafen und Führerscheinentzug das Fahrzeug für verfallen erklären, also endgültig abnehmen und verwerten (versteigern), um von weiterer Raserei abzuhalten. Das ist vor allem bei Wiederholungsgefahr möglich.
Abgesehen davon sei die Versteigerung weiterhin eine Grauzone, es werde stark ins Eigentumsrecht eingegriffen. Zusätzlich sind viele der erwischten Raser gar nicht die Besitzer der jeweiligen Fahrzeuge. Da handelt es sich meist um Miet- oder Leasingwagen. Ihnen wird als Konsequenz der Führerschein abgenommen sowie eine Geldstrafe verhängt.
"Lenkverbot auf Lebenszeit"
Statt der Beschlagnahmung des Fahrzeuges erhalten sie ein "Lenkverbot auf Lebenszeit" für das jeweilige Fahrzeug. Wolf sieht diese Maßnahme kritisch: “Bei dem Lenkverbot auf Lebenszeit beißt sich die Katze quasi in den Schwanz. Der Lenker könnte dann einfach losgehen und sich ein neues Auto kaufen, schließlich gilt das Lenkverbot nur auf das Tatfahrzeug."
Genaue Zahlen sind unklar
Das Innenministerium betont auf KURIER-Anfrage, dass man keine Übersicht über alle Fälle habe. Das BMI sei keine Verkehrsbehörde. "Die Zuständigkeit beim Vollzug der StVO liegt bei den Ländern, operativ bei den Verkehrsbehörden im Bezirk."
Bei den Verkehrsbehörden handelt es sich meist um Bezirkshauptmannschaften, vereinzelt auch um Landespolizeidirektionen oder Magistrate. "Uns im BMI liegen weder Details zu den einzelnen Fällen vor noch Details zum weiteren behördlichen Vorgehen in jedem Einzelfall."
Die vorläufig 38 beschlagnahmten Fahrzeuge beziehen sich demnach nur auf Daten der Bundespolizei. Die meisten Beschlagnahmungen gab es bisher in Niederösterreich mit neun Abnahmen. In der Steiermark wurden sechs Fahrzeuge abgenommen, in Kärnten und Tirol jeweils fünf, im Burgenland und in Wien je vier, in Oberösterreich drei und in Vorarlberg zwei. In Salzburg fanden in den ersten zwei Monaten noch keine Raser-Fahrzeug Beschlagnahmungen statt.
Zu hohe Schätzung?
Insgesamt sind rund 80 Verkehrsbehörden beschäftigt, die in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich autonom entscheiden. Die exakten Zahlen sind also vermutlich viel höher. Experten gehen davon aus, dass 300 bis 800 Fahrzeuge im ersten Jahr beschlagnahmt werden. Die aktuellen Zahlen deuten noch nicht darauf hin. Auch Wolf sieht diese Schätzung als zu hoch an.
Der ÖAMTC steht den neuen Vorschriften generell kritisch gegenüber. "Derart drastische Eingriffe in das Eigentum sollten von Strafgerichten entschieden werden und nicht von Verwaltungsbehörden."
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