Ramadan: Fastest du noch oder isst du schon?

Der muslimische Fastenmonat dauert in diesem Jahr vom 1. bis 20. März 2025.
Nicht einmal Wasser? Eine Redakteurin berichtet, wie sie den muslimischen Fastenmonat Ramadan erlebt.

Es war kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats, als ich in der Redaktion ein dazu passendes Thema vorschlug: Ramadan-Kollektionen im österreichischen Handel. 

Die Neugier meiner Kolleginnen und Kollegen war sogleich geweckt, das Thema angenommen – und dann wurde ich gefragt, ob ich selbst fasten werde. Eine simple Frage eigentlich. Die Antwort fiel mir dennoch schwer. 

Ramadan als Entschleunigung

Dabei geht es gar nicht um Selbstbewusstsein oder darum, dass ich mich nicht "traue" zuzugeben, dass ich faste. Es geht eigentlich eher darum, dass der Ramadan für mich – oder besser gesagt für alle fastenden Musliminnen und Muslime – eine Zeit der Introspektion ist. Einen Monat lang beschäftigt man sich mit dem eigenen Charakter, versucht sich in mehr Geduld, Milde und Empathie. Man möchte großzügig sein und vom eigenen finanziellen Privileg etwas abzweigen, um es mit weniger Glücklichen zu teilen. Und nicht zuletzt: Man versucht zu entschleunigen, vom Hamsterrad wegzukommen und möglichst viel gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Es ist ein Intensivkurs in mentaler Stärke, der Fastende die übrigen elf Monate des Jahres im Alltag stützen soll. 

Es kommt nicht von ungefähr, dass Kinder nicht zum Fasten verpflichtet sind. Denn der Ramadan ist nicht zuletzt eine Prüfung in geistiger Reife, mit der sich sogar viele Erwachsene nicht leichttun. 

Aber! So, wie ich den Ramadan wahrnehme, wird nicht über ihn berichtet. Das, was eigentlich im Hintergrund steht, wird von der Gesellschaft gerne in den Vordergrund gestellt und der Ramadan auf Essen und Trinken reduziert. Es sind die vorgefassten Meinungen der Menschen, die wie ein Stein in der Magengrube liegen.

"Nicht mal Wasser?"

Die Frage "Nicht mal Wasser?" habe ich schon so oft gehört, dass sie mittlerweile, wie ein innerer Alarmknopf wirkt – Achtung, die Ramadan-Diskussion ist eröffnet. Es folgen dann die klassischen Bemerkungen: "Das kann doch nicht gesund sein" (ich bin auch nach über 20 Jahren Fasten kerngesund) oder "Ich könnte das nicht" (Spoileralert: musst du auch nicht). 

Dieses ständige Hinterfragen und Kommentieren hat eine gewisse Abneigung in mir ausgelöst, über das Thema zu sprechen. Doch heuer ist es anders: die christliche und muslimische Fastenzeit überschneiden sich, die Mehrheitsbevölkerung ist quasi für das Thema sensibilisiert. 

Also sprang ich über meinen Schatten und bejahte die Frage meiner Kollegin: Ja, ich werde faste. Mehr sogar, ich schreibe offen darüber, in der Hoffnung, möglichst viele Menschen aufzuklären.

Der frühe Vogel fängt … das Ei

Mein Ramadan-Tag beginnt um vier Uhr. Draußen herrschen Dunkelheit und Stille. Ich mache mir einen Kaffee, koche ein Ei, schneide Obst und setzte mich dann an den Tisch, um das alles in Ruhe zu genießen. Nebenbei höre ich leise Musik und denke darüber nach, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich in Sicherheit, in den eigenen vier Wänden aufstehen und aus einem gut gefüllten Kühlschrank aussuchen kann, was ich essen will. 

An anderen Tagen denke ich darüber nach, wie dankbar ich für meine Familie und meinen Freundeskreis bin. Oder für meine Gesundheit. Alles keine Selbstverständlichkeiten. Diese Morgenroutine (und etwa drei Gläser Wasser) brauche ich für einen guten Tag. Währenddessen schlafen in den Zimmern nebenan mein Ehemann und meine Tochter. Wenn ich meinen Mann nicht wecken würde, würde er weiterschlafen. Nicht aus Faulheit, sondern weil er das Frühstück vor der Dämmerung (Sahur auf Arabisch) nicht braucht. 

Bei unserem allerersten gemeinsamen Sahur hatte ich so viel aufgetischt, dass mein Mann glaubte, er hätte bis zum Iftar, also dem Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, geschlafen. Ich war schockiert, weil er nur ein Glas Wasser trank und sich wieder hinlegte. Wir lernten an dem Morgen beide, dass jeder den Sahur anders begeht. Ich wecke ihn aber natürlich immer noch täglich (nur nicht, wenn ich meine Regel habe und vom Fasten befreit bin – da ist er auf sich allein gestellt), und auch heute trinkt er ein wenig Wasser und legt sich wieder hin.

Die Uhr im Blick

Ich bleibe länger wach und schaue auf der Website des Islamischen Zentrums Wien, wann genau die Morgendämmerung eintritt – heute um knapp vor 4:30 Uhr. Praktisch bis zur letzten Sekunde trinke ich Wasser. So, als würde es kein Wasser mehr geben. Und da fällt mir wieder ein Privileg auf: Jederzeit verfügbares Trinkwasser. Sobald die Dämmerung eintritt, schaltet sich bei mir ein Schalter um und ich bin im Fastenmodus. Dann sind mir Essen und Trinken egal – ich spüre ja Hunger und Durst über den Tag, wie andere auch, aber ich kann es leicht ignorieren. Das war nicht immer so. 

Während meiner Schwangerschaft und Stillzeit habe ich das Fasten ausgesetzt, mein "Wiedereinstieg" vor zwei Jahren war dann von Zweifeln begleitet. Schaffe ich das Fasten nach so einer langen Pause wieder? Während meiner ersten Ramadan-Tage war ich daher verunsichert, ob ich denn den ganzen Tag durchhalten werde. Mein Körper war für viele Monate darauf trainiert. Der Bruch dieser täglichen Dynamik fiel mir Anfangs schwer. Nach wenigen Tagen war ich aber im normalen Fastenmodus drinnen.  

Ein Monat voller Herausforderungen

Nicht falsch verstehen: Es ist nicht meine Absicht, alles schönzureden. Ein Fastentag im Ramadan ist kein Spaziergang. Von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang verzichte ich auf Wasser, Essen und meinen heißgeliebten Kaffee. Aber: Als Fastende darf ich auch nicht fluchen, mich aufregen, über andere lästern oder sie auslachen. Ich darf nicht lügen, darf nicht geizig sein und darf den Ramadan nicht als Ausrede verwenden, um etwaige schlechte Laune zu erklären.

Während der Mittagspause setze ich mich daher trotzdem zu meinem Team. Sie wissen mittlerweile Bescheid, dass ich den Ramadan einhalte, einige erkundigen sich regelmäßig, wie es mir damit geht – eine Geste der Wertschätzung, die mir viel bedeutet. Heuer habe ich meine Kolleginnen und Kollegen zu einem gemeinsamen Fastenbrechen – Iftar – eingeladen, da es im Ramadan nicht nur um Verzicht geht, sondern auch um die Gemeinschaft. Ich möchte, dass sie das auch irgendwie spüren. Meine Sicht der Dinge werden sie ja nie endgültig verstehen – oder akzeptieren – aber das ist okay so. Es ist bekanntlich völlig in Ordnung, unterschiedliche Meinungen zu vertreten, solange man einander mit Respekt und Empathie begegnet.

Das eigene Ego in Schach halten

Auch das ist etwas, das ich dank des Ramadans verinnerlicht habe: Er ist eine sehr gute Übung darin, den eigenen Körper und die eigenen Gedanken (auch irgendwo das eigene Ego) besser in Schach zu halten. Aber es braucht das Training, also das wiederholte Fasten, dafür. In meinen jungen Jahren zählte für mich auch eigentlich nur der Nahrungsverzicht und mein Tag bestand daraus, die Minuten bis zur abendlichen Völlerei abzuzählen. Mit der Zeit lernte ich die wahre, bereits geschilderte Bedeutung des Fastenmonats kennen und begann, sie allmählich zu praktizieren. 

Denn: Auch ein:e Gewichtheber:in beginnt nicht gleich mit 150-Kilogramm Hanteln, sondern arbeitet sich in stetigen Schritten hoch. So machen es Fastende mit ihrem Willen zum Verzicht. Es macht sie stärker, widerstandsfähiger. Und so werde ich irgendwann, hoffentlich bald, die Frage "Nicht mal Wasser?" mit Leichtigkeit und einem Witz abfedern können.