Funkstille in Radmer: "Drei" sorgt in steirischem Bergdorf für Ärger
Für diesen Bericht ist es von Vorteil, dass Gerhard Winter nicht auf die mobilen Dienste von "Drei" vertraut. Sonst hätte der KURIER den Ortschef von Radmer nicht zum jüngsten Ärgernis in seiner Gemeinde befragen können.
Seit Mitte Mai können Menschen, die einen Vertrag mit "Drei" abgeschlossen haben, in dem obersteirischen Bergdorf (20 km westlich von Eisenerz, 10 km südlich von Hieflau) mit ihrem Handy nicht mehr telefonieren, surfen, streamen, gamen, chatten, shoppen und bezahlen. Das Funkloch wird vom Unternehmen mit einer technischen Aufrüstung begründet: Das 3G-Netz wurde abgedreht, um das neue 5G-Netz zu installieren.
"Das ist Kundenverarschung"
Bürgermeister Winter hat persönlich nichts gegen technische Verbesserungen. Die Art und Weise, wie die Bewohner und Bewohnerinnen in seinem Ort von "Drei" informiert wurden, ärgert ihn jedoch: "Das ist Kundenverarschung par excellence".
Einer Kundin, so Winter, wurde an einem Mittwoch ein Zweijahres-Vertrag verkauft. Am darauffolgenden Sonntag konnte sie nicht mehr telefonieren. "Kulant" wurde ihr angeboten, ihr Handy aus dem Vertrag herauskaufen zu dürfen.
Nicht vorgewarnt wurden laut Bürgermeister auch die Mitarbeiter von der Müllabfuhr sowie von den Forsttransporten.
"Ein weiter Nadelstich", ärgert sich Amtsleiterin Sabine Klapf. Zum einen werde die besondere Lebensqualität "am Land" gepriesen, zum anderen werde aber den Bewohnern und Bewohnerinnen dort immer mehr die Lebensgrundlage entzogen.
Der fehlende Mobilfunk ist nur eine weitere Lücke in einer Gemeinde, die sich seit den 1980er-Jahren halbiert hat (aktuell: 498 Einwohner), der öffentliche Verkehr ist eine weitere.
Bürgermeister Winter glaubt, dass nur drei Mal am Tag ein Linienbus von Radmer abfährt. So genau weiß er das gar nicht. Denn seine Termine kann er mit diesem Angebot nicht wahrnehmen.
Die Post für die Menschen von Radmer übernimmt man heute auf dem Gemeindeamt. Doch den Hausarzt, der heuer bereits seinen Siebziger feiert und daher verständlicherweise über seinen Ruhestand ab September nachdenkt, wird man nicht so leicht kompensieren können.
Bürgermeister Winter sagt: "Es gibt Gespräche mit der Gesundheitskasse." Und auf Nachfrage: "Nein, optimistisch bin ich diesbezüglich nicht. Es könnte sein, dass wir ab September keine ärztliche Versorgung im Ort haben."
Kunden-Service der dritten Art
Immerhin möchte "Drei" die neuen mobilen Dienste so schnell als möglich in Radmer anbieten. Eine Sprecherin des Unternehmens schränkt allerdings auf KURIER-Anfrage ein: "Dies wird jedoch leider nicht vor Ende des Jahres 2024 der Fall sein."
Den betroffenen Bewohnern bietet sie an, sich an das Kunden-Service zu wenden. "Dort werden individuelle Lösungen für sie erarbeitet." Allerdings müssten sich die Ausgebooteten dafür von Radmer wegbewegen. Weil, genau: "Kein Signal."
"Drei" reagierte - und sorgte für 4G
Wenige Tage nach all dem Wirbel gab es am Donnerstag aber gute Nachrichten für Radmer: Das Unternehmen mit, dass der Empfang in der Gemeinde nun wieder hergestellt sei. Die Techniker haben demnach "Maßnahmen vorgezogen" – streamen, chatten oder telefonieren sei nun im 4G-Netz möglich.
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