Quartiersuche für Flüchtlinge: Wie Skeptiker überzeugt wurden

Christian Konrad zu Besuch im Asylheim in der Lindengasse.
Die Zahl der Gemeinden, die Flüchtlinge unterbringen, hat sich verdoppelt.

Die Gemeinden sind der Schlüssel zur Integration.

Diesen Satz hat man im vergangenen Jahr oft gehört. Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen, wurden gefeiert, deren Bürgermeister als Vorbilder herumgereicht.

Jenen Gemeinden, die keine Geflüchteten aufgenommen haben, wurde vorgeworfen, ihren Beitrag nicht zu leisten. Deren Bürgermeister als Negativ-Beispiele genannt. Der Ball wurde ständig hin und her gespielt: Der Bund verlangte von den Gemeinden, Menschen unterzubringen. Manche Orte fühlten sich übergangen und unter Druck gesetzt.

Jetzt, ein Jahr, nachdem die große Anzahl an Flüchtlingen nach Österreich gekommen ist, steht jedenfalls fest: Es ist etwas weitergegangen: Mittlerweile haben etwa zwei Drittel der 2100 Gemeinden in Österreich Flüchtlinge in Quartieren der Grundversorgung aufgenommen. Vor einem Jahr war es nur ein Drittel der Gemeinden. 83.753 Plätze in der Grundversorgung gibt es mit Stand gestern, Donnerstag. Am 18. August des Vorjahres waren es 47.662.

Vorbildwirkung

Wie es dazu gekommen ist, hat vor allem zwei Gründe: Erstens: Der Druck, eine große Anzahl an Menschen unterzubringen, ist weg. Zweitens: Der Zustrom an Geflüchteten ist abgeflaut.

Dass aber immer mehr Gemeinden Flüchtlinge aufgenommen haben, liegt auch an zahlreichen Gesprächen, Vernetzungs- und Bürgermeistertreffen, in denen vorbildliche Bürgermeister ihren skeptischen Kollegen Rede und Antwort gestanden haben. Eines dieser vorbildlich agierenden Gemeindeoberhäupter ist Isabella Blaha, Bürgermeisterin von Scharnitz in Tirol.

Seit 13 Jahren sind in der Gemeinde Flüchtlinge untergebracht. Damals waren es viele Tschetschenen und Afghanen, heute sind es vor allem Syrer und Afrikaner. Damals wie heute hatte die Bürgermeisterin mit einer Welle der Ablehnung zu kämpfen. "Es war aber keine Ablehnung der Menschen, sondern gegen das Überstülpen durch den Bund", sagt Blaha. Dass just eine Gemeinde, die bereits Geflüchtete beherbergt, wieder zum Zug kommt, hätten manche Bürger nicht nachvollziehen können. Trotzdem haben sich wieder zahlreiche Freiwillige gefunden, die den Asylwerbern zur Seite stehen.

Ihre Rezept für dem Umgang mit Flüchtlingen? "Menschen wie Menschen behandeln", sagt Blaha. Das habe sie auf zahlreichen Vernetzungstreffen auch ihren Kollegen empfohlen.

"Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister machen in diesem Land gute Politik für die Menschen und mit den Menschen. Deshalb ist es auch gelungen, die Zahl der Gemeinden, in denen Flüchtlinge aufgenommen worden sind, zu verdoppeln", sagt Christian Konrad, Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung. Aktuell stehen sogar 9000 Plätze als Puffer zur Verfügung stehen, wie aus einer Studie hervorgeht, die Konrads Verein "Österreich hilfsbereit" gemeinsam mit dem Gemeindebund in Auftrag gegeben hat.

200 Gemeinden wurden dazu im April zum Thema "Asylunterbringung in den Gemeinden" befragt. Zwei der zentralen Ergebnisse: In kleineren, zunächst skeptischen Gemeinden hat sich die Stimmungslage verbessert. In größeren Gemeinden ist die anfänglich Euphorie oft einer Ernüchterung gewichen. Und: Die bürokratischen Hürden bei der Unterbringung, Betreuung und der gemeinnützigen Beschäftigung sind immer noch zu hoch. Das habe oft zu Verzögerungen geführt.

Warum es trotzdem doppelt so viele Plätze wie vor einem Jahr gibt? "Viele Gemeinden haben beschlossen, dass die Flüchtlingsunterbringung eine Aufgabe wie viele andere ist, die sie zu erledigen haben", heißt es aus dem Gemeindebund.

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