Psychologe Ahmad Mansour: „Kopftuch ist Kindesmissbrauch“

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Fachleute diskutierten im Integrationsministerium über Kopftuch bei Kindern. IGGÖ-Vertreter wurden aber nicht eingeladen.

Auf dem Weg zu einem etwaigen Kopftuchverbot für Kindergarten- und Volksschulkinder sammelt man im Integrationsministerium Expertenmeinungen. Zu einer „seit Monaten geplanten“ Diskussionsrunde lud man für Mittwoch Fachleute aus den Bereichen Psychologie, Kinderrechte und Bildung ein. Von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) saß dagegen niemand auf dem Podium.

Der religiöse Aspekt sei „bereits mehrfach beleuchtet“ worden, nun wolle man das „gesellschaftspolitisch relevante Thema auf fachlicher Ebene mit Experten diskutieren“, heißt es aus dem Ressort von Ministerin Karin Kneissl. Die Inhalte sollen „in den Gesetzeswerdungsprozess einfließen“. Und die Stoßrichtung der Diskussionsteilnehmer ist eindeutig.

Sexualisierung

Der deutsche Diplompsychologe Ahmad Mansour würde ein Kopftuchverbot für Kinder etwa ebenso begrüßen, wie Andrea Walach, Direktorin der Wiener NMS Gassergasse. Eingeladen war ursprünglich auch Moschee-Gründerin Seyran Ates, die das Kopftuch bei Kindern als Kindesmissbrauch betrachtet. In dieselbe Kerbe schlägt Mansour: Das Kopftuch beeinträchtige die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und sexualisiere sie. „Das ist pervers und Missbrauch“, meint der Psychologe. Zudem würden die Mädchen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, „weil sie zum Beispiel nicht zum Schwimmunterricht dürfen und weil sie nicht mehr als Kinder wahrgenommen werden“.

Hier sei es Sache des Staates, muslimischen Eltern klarzumachen, dass in Österreich kein patriarchales System vorherrsche. „Die Botschaft muss sein: ,Eure Religion ist willkommen, aber wir leben hier nach europäischen Werten. Und dazu gehört auch das Recht auf freie Entscheidung“, meint Mansour.

Allerdings sei es oft schwierig, solche Eltern zu erreichen, berichtet Walach. „Der Dialog, der zur Einsicht führt, wäre zwar wertvoll. Aber oft stellen solche Eltern das Religiöse über alles andere – sie fürchten eine Strafe Gottes. Und zum Teil sind sie der deutschen Sprache auch nicht ausreichend mächtig, um in einen konstruktiven Dialog (etwa mit der Schulleitung; Anm.) treten zu können.“

Optimal wäre eine Kombination aus einem Verbot und Bewusstseinsarbeit, meint Walach. Hier sieht sie auch die IGGÖ in der Pflicht.

Bewusstseinsarbeit

Dort lehnt man ein Verbot strikt ab. Dieses sei kontraproduktiv, weil es muslimische Eltern vor den Kopf stoße und die Polarisierung weiter vorantreibe, betont Frauenbeauftragte Carla-Amina Baghajati. Fördern wolle man das Kopftuch bei Kindern aber auch nicht. Daher setze man seit Jahren auf Bewusstseinsbildung – oder mit anderen Worten: „Wir reden uns den Mund fusslig.“ Und das trage Früchte. Im Gegensatz zu vor 15 Jahren werde jetzt unter Muslimen viel reflektierter mit dem Thema umgegangen. Nachholbedarf gebe es noch bei Flüchtlingsfamilien.

Mit der Sexualisierung des Kopftuchs müsse Schluss sein, so Baghajati. „Dagegen wehren sich Musliminnen – bei sich selbst und erst recht bei Kindern. Frauen sind Subjekte und nicht Objekte.“

Dass die IGGÖ nicht aufs Podium der Diskussion im Ministerium eingeladen wurde, sei bedenklich. Man breche hier mit „der langjährigen politischen Praxis, die Glaubensgemeinschaft in Muslime unmittelbar betreffende Themen direkt einzubinden“. Diese bewährte Linie werde "derzeit zunehmend verlassen - als sei man weniger an der gemeinsamen Lösung interessiert, als viel mehr an der Verbreitung eines Alarmismus, der Tendenzen von Polarisierung und Stigmatisierung der Muslime in der Gesellschaft noch verstärkt".

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