Trotz Verrat und Tötung: Warum Polizisten oft weiter im Dienst bleiben

Trotz Verrat und Tötung: Warum Polizisten oft weiter im Dienst bleiben
Verräter von Razzia wird ebenso wenig entlassen wie jener Polizist, der irrtümlich einen jungen Kollegen erschossen hat.

Das ist wohl ein Rekord: Ein junger Polizist schaffte es, sich bereits an seinem ersten Arbeitstag auf der Inspektion ein Disziplinarverfahren einzuhandeln. Er hatte eine Drogenrazzia verraten. Grund für eine Entlassung sah die Bundesdisziplinarkommission deshalb aber nicht.

In diesem Artikel lesen Sie weitere Details zu diesem kuriosen Fall und weiteren Disziplinarverfahren gegen Polizeibeamte, die trotz Strafen nicht zu einer Entlassung führten:

"Der Polizeibeamte (...) hat, im Dienst, dem Freund seines Bruders, durch die Übermittlung einer Kurznachricht per Snap-Chat bzw. Whatsapp vor einer unmittelbar bevorstehenden Amtshandlung nach dem Suchtmittelgesetz in Kenntnis gesetzt, dadurch gewarnt und ihm die Möglichkeit gegeben, Beweismittel (Suchtmittel und Suchtmittelutensilien) zu beseitigen", heißt es im diese Woche veröffentlichten Urteil der Behörde im Bundeskanzleramt.

Im Zuge der Amtshandlung wurde der Bruder des jungen Beamten nach Medikamentenmissbrauch bewusstlos aufgefunden. Der Kommandant der Polizei-Inspektion entschied zunächst, dass der Neuling nicht an diesem Einsatz teilnehmen dürfe, gab aber in weiterer Folge dem Drängen des Beamten, der unbedingt dabei sein wollte, nach.

Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass sich der Bruder "zuvor bei seinem dem Suchtgiftmilieu zuzurechnenden einzigen Freund aufgehalten hatte, weshalb der Einsatzleiter entschied, die Erhebungen auf diesen auszudehnen". Bei der durchgeführten Einsatzbesprechung, die der Jung-Polizist mitbekam, wurde bekannt, dass auch er den mutmaßlichen Dealer kennt. Der Einsatzleiter entschied daher, dass der Beamte bei der Amtshandlung nicht dabei sein dürfe.

"Bei der durchgeführten Nachschau in der Wohnung wurde zunächst nichts gefunden, weshalb auch die Mülltonne vor dem Haus durchsucht wurde, in welcher auch unmittelbar zuvor entsorgte Suchtmittelutensilien sichergestellt werden konnten. Im Zuge der weiteren Erhebungen ergaben sich Hinweise, der Beamte könnte vor dem Einsatz gewarnt haben, weshalb man den Beamten damit konfrontierte".

Innenministerium wollte Entlassung

Der Betroffene wurde suspendiert und von der Staatsanwaltschaft diversionell zu 2850 Euro verurteilt. Im Disziplinarverfahren kamen nun weitere 10.000 Euro dazu, eine Entlassung sah die Kommission - trotz entsprechender Forderung vonseiten des Innenministeriums - aber ebenso wenig notwendig wie in einem weiteren spektakulären Fall.

Dabei hatte ein 40-jähriger Einsatztrainer in Graz einem 27-jährigen Kollegen getötet. Der Beamte hatte bei einem Polizei-Training zwar alle Dienstpistolen seiner Kollegen gegen rote Übungswaffen ausgetauscht, nicht aber seine eigene. Im Zuge der Ausbildung schoss er irrtümlich dem Beamten in den Rücken.
Vor Gericht wurde der Beamte aufgrund des tragischen Vorfalls zu einem halben Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Im Disziplinarverfahren kam nun eine Geldstrafe von 6000 Euro dazu.
 
Die Disziplinarkommission wird intern gerne als "die barmherzigen Brüder" bezeichnet. Nur Geldstrafen gab es in den vergangenen Monaten für Beamten, die Tötungsvideos verschickten, Corona-Impfpässe fälschten, Kolleginnen belästigten oder Pensionisten um ihre Ersparnisse brachten.
 
Entlassen wurde im Vorjahr nur ein einziger Polizist. Dieser hatte aus einer Gemeinschaftskasse auf einer Polizei-Inspektion Geld im dreistelligen Euro-Bereich gestohlen. Da war dann auch für die Behörde eine rote Linie überschritten.

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