Fahren Sie auch in der Stadt?
Nein. Das Rennrad ist für mich körperlicher Ausgleich und Naturerfahrung, aber ich benütze es nicht in der Stadt, weil das ziemlich mühsam ist. Es gibt viel Autoverkehr und viel Radverkehr – ich weiß nie, was unangenehmer ist. Für die an sich begrüßenswerte Zunahme des Radverkehrs hat Wien noch keine angemessene Infrastruktur.
Ein gutes Rennrad kostet. War Ihres auch so teuer wie ein Kleinwagen?
Selbstverständlich (lacht)Da fängt der Spaß ja erst an. Aber da ist viel Fetischismus dabei. Natürlich bekommt man Rennräder, die Spaß machen, um einen akzeptablen Preis. Aber bei einem perfekten Zusammenspiel von Material, Technik und Design bewegt man sich schnell jenseits der 10. 000 Euro.
Können Sie Ihr Rennrad etwas genauer beschreiben?
Ich habe mehrere, unter anderem ein feines Cannondale. Aktuell fahre ich mit einem Airstreeem, das Produkt einer exquisiten österreichischen Radmanufaktur. Rahmen und Laufräder aus Carbon, elektronische Schaltung, Scheibenbremsen und High-Tech-Pedale mit integriertem digitalem Leistungsmesser.
Anna Kiesenhofer, Olympiasiegerin im Straßenrennen, ist Mathematikern. Sie sieht Analogien zwischen Mathematik und Radrennsport. Können Sie das auch für sich sagen? Hat Radfahren viel mit Ihrem Beruf zu tun?
Zwischen Radfahren und Philosophie gibt es eine Nähe. Gerade das ausdauernde Straßenfahren kann relativ monoton sein, und das setzt Denkprozesse frei. Dass körperliche Bewegung das Denken anregt, ist eine alte Vermutung. Es gab in der Antike mit den Peripatetikern eine eigene Philosophenschule, wo im Gehen philosophiert wurde. Radfahren ist zwar anders als Gehen, aber in der Grundbewegung ist es ein „Erfahren“ von Landschaft, das auch andere Erfahrungen möglich macht. Man setzt sich Prozessen der Selbstdisziplinierung und der Selbstreflexion aus. Für mich war diese physische Bewegung immer wichtig, um den Kopf freizubekommen. Beim Rennradfahren gibt es auch einen Wechsel von Lust und Leid, der ein intensives Spüren ermöglicht. Aber ich möchte das nicht überbewerten. Man kann auch gut philosophieren, wenn man sich nie von seinem Schreibtisch wegbewegt. Und man kann Radfahren, ohne zu denken.
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