Österreichs neuer Wolfsbeauftragter - und seine Herausforderungen

Österreichs neuer Wolfsbeauftragter - und seine Herausforderungen
Aldin Selimovic ist der neue Wolfsbeauftragte. Und er hat viel zu tun: 2021 gab es einen Rekord bei Wolfsnachweisen und Nutztier-Rissen.

Die einen sind von ihnen fasziniert, die anderen möchten sie am liebsten aus dem Land verjagen. Kaum ein anderes Tier polarisiert in Österreich derart, wie der Wolf. Und das Konfliktpotenzial wird größer. Denn die Zahl der bestätigten Wölfe ist im Vorjahr weiter gestiegen – und damit auch die Zahl der gerissenen Nutztiere. Was bedeutet dies nun für den Start der Almsaison?

Dass Aldin Selimovic in diesem Spannungsfeld eine herausfordernde Aufgabe übernommen hat, ist ihm bewusst. Der Wildbiologe ist Österreichs neuer Wolfsbeauftragter. Er beerbt damit Georg Rauer, der seinen Ruhestand antritt. Selimovic ist in Bosnien und Herzegowina geboren, seit 2008 in Wien und seit drei Jahren am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) tätig.

Österreichs neuer Wolfsbeauftragter - und seine Herausforderungen

Selimovic im Labor: Hier werden DNA-Proben der Tiere analysiert

Neben einem Bachelor in Biologie hat er einen Masterabschluss in Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der Boku. Die Ökologie und Physiologie des Goldschakals war Thema seiner Masterarbeit. Auch mit dem Wolf ist er seit Jahren beruflich eng verbunden und vertraut: Selimovic, selbst erfahrener Jäger, ist für das Projekt rund um die Besenderung von Wölfen am Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich mitverantwortlich.

600 DNA-Proben

Alleine im vergangenen Jahr wurden an seinem Institut 600 DNA-Proben von den großen Beutegreifern wie Wolf, Bär und Goldschakal ausgewertet; ebenso viele Fotobeweise der Raubtiere begutachtet. „Es ist sinnlos, sich auf die Suche nach einem Wolf in der Natur zu machen. Er hinterlässt so viele verwertbare genetische Spuren, die viel mehr Aufschlüsse über die Tiere liefern“, sagt Selimovic.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung ermögliche es, nun mehr über die Lebensgewohnheiten des sagenumwobenen Tieres herauszufinden. „Was wir bisher über Wölfe wissen, ist sehr begrenzt.“

Eine Datenbank für alle Funde

Deshalb ist eine der ersten Aufgaben des neuen Wolfsbeauftragten, ein wissenschaftliches Wolfsmonitoring flächendeckend aufzubauen. Dafür werden in speziellen Regionen Jäger, Förster und beispielsweise Landwirte gewonnen, die zusammen mit dem Forschungsinstitut aktiv nach Nachweisen des Beutegreifers suchen und diese dokumentieren. Alle genetischen Funde werden in einer Datenbank gesammelt. Das Ziel: „Mit einem objektiven und transparenten Zugang eine Brücke zwischen der Jagd und Wissenschaft zu schaffen.“

Sendeausfall

Wie diffizil die Arbeit ist, zeigt das Beispiel Allentsteig. Von dem dort lebenden Rudel wurden vier Wölfe im Rahmen des Projekts besendert. Zwei Tiere wanderten ins Ausland ab, bei den beiden anderen kam es zu einem Sendeausfall. Aktuell habe man daher keine Daten aus Österreich mehr, erklärt der neue Wolfsbeauftragte.

Das Spannungsfeld wird indes immer größer. Laut dem Geschäftsführer des Österreichzentrums für Wolf, Bär und Luchs, Albin Blaschka, hat die Zahl der Wölfe 2021 weiter zugenommen. Die bestätigten Fälle bewegen sich in Richtung der 30er-Marke. 2018 waren es 13, 2019 schon 21 Individuen und ein Jahr später 22. Aktuell gebe es Rudel in Allentsteig und Gutenbrunn in NÖ und eines im oö. Grenzgebiet zu Bayern und Tschechien.

Auf Wanderschaft

„Beim Großteil handelt es sich um durchziehende junge Wölfe, die aus den italienischen Alpen kommen und ihr Rudel verlassen haben“, sagt Blaschka. Sie wandern in nur zwei Monaten mehr als 1.000 Kilometer weit. Massiv zugenommen hat damit auch die Zahl der gerissenen Nutztiere – vor allem in Tirol, Kärnten und Salzburg.

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Mit einer Antenne ging Selimovic auf die Suche nach einem besenderten Wolf aus der Schweiz, der auf der "Durchreise" war

Allein in Tirol hat sich im Vorjahr die Zahl der verschwundenen und getöteten Almtiere im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. 378 gerissene Schafe, Ziegen und Rinder bedeuten für Tirol einen Negativ-Rekord. Laut Blaschka wurden 293 Risse mittels DNA-Nachweis dem Wolf zugeordnet, 82 Bären und drei dem Goldschakal. In Salzburg wiederum wurden im vergangenen Jahr 79 Nutztiere von Wölfen gerissen, zwei vom Goldschakal.

Wölfe sind in Österreich seit ihrer dokumentierten Rückkehr vor 15 Jahren so verbreitet, dass sie mittlerweile „vom Neusiedler- bis zum Bodensee überall vorkommen können“, fügt Blaschka hinzu.

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