Österreich wird zum Land der Zocker

Österreich wird zum Land der Zocker
Pro Jahr gibt jeder Haushalt 1020 Euro für das Glücksspiel aus. Doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Der Staat kassiert mit.

Jeder der 3,62 Millionen heimischen Haushalte investiert pro Jahr etwa 1020 Euro ins Glücksspiel. Vom Bummerl-Schnapsen im Wirtshaus über Lotto bis zur anonymen Poker-Runde im Internet. Vor zehn Jahren glaubten die Spieler noch merkbar weniger ans Glück und steckten nur etwa die Hälfte (460 Euro/Haushalt) ins Gamblen. Onlinespiele, Sportwetten und Automatencasinos boomen. Das klassische Lotto stagniert, steht aber vor einer mög­lichen Rekordausschüttung.

Denn am Sonntag wartet der erst vierte Fünffach-Jackpot seit Einführung des Lotto 1986. Sollte es zu einem Solosechser kommen, wären dem Gewinner über zehn Millionen Euro sicher – Rekord. Denn der bisher höchst dotierte Solo-Sechser vom 15. August des heurigen Jahres brachte 9,437.932 Euro. Dementsprechend kribbelt es Gambler aus dem In- und Ausland in den Fingern.

"Wir rechnen mit 13,5 Millionen Tipps auf zwei Millionen Wettscheinen. Geht es um große Gewinne, tippen auch Spieler aus dem Ausland. Vor allem die Italiener", erklärt Günther Engelhart, Sprecher der Österreichischen Lotterien. Wie sehr sich das Glücksspiel in den vergangenen zehn Jahren in den Haus­halten etabliert hat, zeigt eine Untersuchung von RegioPlan Consulting. "Der Glücksspielsektor ist mittlerweile so groß wie das Marktvolumen im Bereich Urlaub", sagt RegioPlan-Consulting­leiter Michael Oberweger. Aktuell investiert ein Haushalt pro Jahr 1090 Euro in den Urlaub.

Jeder Zweite abhängig

Die Zockerfreude der Österreicher beschäftigt Therapeuten der Suchtprävention zusehends. Vor allem das kleine Glücksspiel treibt Jugendliche und notorische Spieler immer häufiger in die Schuldenfalle. Christoph Lagemann vom Linzer Institut für Suchtprävention warnt: "Jeder Zweite, der auf Geldautomaten spielt, ist abhängig." Nachsatz: "Von Verboten halte ich wenig, denn damit wird das Automatenspiel in die Illegalität gedrängt, aber nicht kontrolliert." Für den Staat ist die wachsende Spielleidenschaft ein gutes Geschäft: Denn an Abgaben und Gebühren flossen im Vorjahr mehr als 500 Millionen Euro ins Staatssäckel. Länder und Gemeinden lukrierten über die Vergnügungssteuer etwa 100 Millionen Euro. Auch heute verdient der Staat fleißig mit. Die Trafikanten rüsten sich für einen Ansturm in letzter Minute – denn am Freitag war es noch "ungewöhnlich ruhig", urteilen Nicole Schierer und Gerlinde Mayer aus der Trafik Bauer in der Apollogasse in Wien. Die beiden Damen werden selbst auch Lotto-Spielen. Zehn Millionen gibt es schließlich nicht alle Tage.

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