Au revoir, Nightjet à Paris: Der Abschied schmerzt trotz Verspätung

Paris Stefan Kaineder
Oft ausgefallen, sehr oft verspätet, dennoch beliebt: Eine letzte Fahrt mit dem Nightjet Paris-Wien, der eingestellt wird.

Die Abfahrt aus Paris, Gare de Est, erfolgt an diesem Tag um 19.30 Uhr, mit nur 18 Minuten Verspätung. Aber schon da ist klar: Der Nightjet kommt nicht um 10 Uhr in Wien an, sondern (laut Plan) zwei Stunden später. Aber nicht wegen der verspäteten Abfahrt in Paris. 

Der Grund ist eine Nachtbaustelle in Deutschland, die schon mal dazu geführt hat, dass der Nightjet in Straßburg gestrandet ist und eine Fahrt aus Wien gestrichen werden musste.

Baustellen bremsen die Bahn

Diese Baustellen machen die ÖBB auch dafür verantwortlich, dass rund 10 Prozent der 156 Züge pro Richtung und Jahr ausgefallen sind. "In den vergangenen Jahren waren vereinzelt auch Streiks und Unwetter Gründe für einen Ausfall", ergänzt ein Sprecher der ÖBB. 

Nightjet

Der Nightjet nach Paris musste von den ÖBB kurzfristig gestrichen werden.

Die Baustellen sind auch mit ein Grund für das Aus der Verbindung ab 14. Dezember: "Die extreme Baustellensituation auf dieser Strecke ist einer der Gründe, warum ÖBB und SNCF (das französische Bahnunternehmen, Anm.) diese Strecke nicht eigenwirtschaftlich ohne die bisher gewährte Unterstützung des französischen Staats betreiben können."

Nur 60 Prozent pünktlich in Paris

Die Baustellen führen auch zu unbefriedigenden Pünktlichkeitszahlen auf dieser Linie, geben die ÖBB zu: Nur rund 60 Prozent der Züge von Wien nach Paris sind pünktlich angekommen, auf der Gegenrichtung von Paris nach Wien waren es gar nur 40 Prozent.

Ein Abteil im Nightjet.

Ein Abteil im Nightjet nach Paris.

Aber zurück in den Zug. Im Einzelabteil steht Wasser bereit, aus Sankt Gallen in der Steiermark, ein Zugbegleiter bringt jedem Fahrgast zusätzlich ein Flascherl Sekt. Söhnlein brilliant trocken, aus Wiesbaden in Deutschland. Um die Fahrgäste wegen der Verspätung milde zu stimmen? Man weiß es nicht. 

Bis alle Formalitäten geklärt sind, dauert es eine Weile, jeder Fahrgast muss das Ticket abgeben und den Frühstück-Fragebogen ausfüllen. 

Die Frühstückskarte im Nightjet.

Die Frühstückskarte.

Das Zugbegleiter-Team hat alle Hände voll zu tun, auch Bestellungen gehen ein. Stiegl Bier ist sehr gefragt, dazu Gummibärchen und Erdnüsse.

Bahnfahrt mit Problemen

Die Probleme der Bahn werden auch in diesem Zug offensichtlich. Ein Liegewagen ist zur Gänze abgeschlossen, die Gäste werden umgeschichtet. 

Und auch in den Schlafwaggons ist die Qualität der zur Verfügung gestellten Infrastruktur unterschiedlich. 

Ein WC funktioniert nicht, in den Kabinen läuft das Wasser im kleinen Waschbecken nicht. Der Wassertank wurde in Paris nicht gefüllt, heißt es. Na ja, wenigstens eine Erklärung. 

Unterschiedliche Qualität

Eine Kabine im anderen Wagen hat WC und Dusche im Abteil, in der daneben gibt es nicht einmal ein kleines Tischlein. Dafür lässt sich die irrtümlich geöffnete Zimmertüre nicht mehr schließen.

Abteil mit gemachtem Bett im Nightjet

Eine Kabine im Nightjet. 

Auch die Heizung funktioniert nur halbwegs gut, während sie in einem Schlafwagen bestens funktioniert, kämpfen andere Fahrgäste mit der Kälte, die von draußen ins kleine Abteil kriecht.

Aber nicht alles ist schlecht. Valentin und Charlotte strahlen um die Wette. Gut, sie sitzen in einem funktionierenden Abteil, als sie das Frühstück bekommen. 

Valentin und Charlotte frühstücken im Nightjet.

Valentin und Charlotte frühstücken im Nightjet. 

"Die Reise nach Wien ist mein Weihnachtsgeschenk vom letzten Jahr", erzählt die junge Französin und wirft Valentin einen verliebten Blick zu. 

Ausgeschlafen in Wien angekommen

Er blickt ein wenig verlegen zur Seite, während Charlotte begeistert schildert, dass die Nacht im Zug sehr bequem gewesen sei und sie beide sich voller Freude und gut ausgeschlafen in ihr Wien-Abenteuer mit Schönbrunn und Co. stürzen wollen. 

Dass diese Verbindung eingestellt wird, finden Valentin und Charlotte sehr schade, sie wollen jedenfalls wieder in der Nacht reisen.

Hausschuhe mit dem Aufdruck ÖBB Nightjet.

Für alle Fahrgäste gibt es Hausschuhe mit dem Aufdruck ÖBB Nightjet.

Wie die beiden haben viele diese Verbindung genutzt, die Strecke sei gut ausgelastet gewesen, Details wollen die ÖBB "prinzipiell nicht kommunizieren". 

Über Brüssel nach Paris

Schade findet auch das Zugbegleiter-Team das Aus für Paris-Wien, das zum Teil seit Jahren ausschließlich auf dieser Verbindung fährt. 

Künftig heißt es Wien-Brüssel für den Chef der Truppe. Es geht auch über Stuttgart - Abfahrt um 23:28 Uhr, Umsteigen in Stuttgart um 8:38, Ankunft in Paris um 12.35 Uhr - wenn der Zug pünktlich ist.

Diese Teilstrecke empfehlen die ÖBB auch für künftige Fahrten nach Paris: "Mit dem Nightjet nach Brüssel mit Anschluss Eurostar (ehemals Thalys) oder TGV." 

Zugbegleiter Najib Saadat wird die Fahrgäste da nicht immer betreuen. Er fährt immer auf unterschiedlichen Strecken, Amsterdam und Hamburg, manchmal auch Brüssel. 

Ein Zugbegleiter schaut aus dem Fenster des Nachtzugs.

Zugbegleiter Najib Saadat.

Den Nightjet mag er, auch wenn es manchmal stressig wird: "Es ist schön, immer neue unterschiedliche Leute kennenzulernen." Auch wenn das etwa bei Schulklassen auch mal besonders herausfordernd ist, schmunzelt er.

Nach 17 Stunden kommt der Zug in Wien an. "Sie bekommen wenigstens Überstunden bezahlt", sagt ein Mann beim Aussteigen zu einem anderen Zugbegleiter. 

Der lacht nur, hebt den schweren Koffer auf den Bahnsteig und antwortet: "Wir bekommen Freizeit für die Überstunden. Ausbezahlt wird nichts, die müssen sparen." Wie etwa mit der Einstellung von Nachtzügen nach Paris.

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