ÖBB: Neue Züge für Ostdeutschland, alte Garnituren für Österreich
Der Cityjet ist eines der großen Prestigeprojekte der Bahn. Diese modernen Niederflurzüge sollen endlich die veralteten, eckigen und langsameren 4020er-Ganituren aus den 1970er-Jahren ersetzen. Statt alter Bankerln im Retrostyle warten moderne Sitze. Demnächst werden wieder brandneue Cityjets für die Flotte der ÖBB geliefert – doch die Bahn vermietet diese lieber nach Ostdeutschland, statt sie in Österreich einzusetzen.
Ein tolles Geschäft oder eine gewaltige Frotzelei, wie es ein Informant gegenüber dem KURIER darstellt?
Demnach sollten diese Züge eigentlich in Kärnten und Vorarlberg eingesetzt werden. Die deutsche Betreibergesellschaft ODEG benötigt allerdings sechs Garnituren für ihre neuen Linien von Rostock nach Sassnitz bzw. nach Züssow. Ab 15. Dezember werden diese sechs für die ÖBB gedachten Cityjets dort eingesetzt.
Aus der Schrottpresse
Dafür müssen – bereits stillgelegte – alte 4020er-Garnituren wieder aufbereitet und reaktiviert werden. Denn eigentlich sind diese veralteten Garnituren für die Verschrottung vorgesehen gewesen.
ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder bestätigt, dass es so einen Deal gibt, spricht aber von guten Gründen dafür. Die Bahn würde immer wieder Garnituren in gewissen Stückelungen von Siemens abrufen.
„Wir wollten jetzt 24 Züge haben, aber Siemens liefert nur ab 35 Stück, das ist die Mindestbestellmenge“, erklärt Rieder auf Anfrage des KURIER.
Es sei ein Glücksfall gewesen, dass die deutsche ODEG ebenfalls Züge haben wollte, allerdings mit einer sehr kurzen Lieferfrist. Die Vergabe der Rostock-Ausschreibung wurde erst kürzlich bestätigt. Die ÖBB hätten sich deshalb entschieden, gemeinsam mit der deutschen Betreibergesellschaft bei Siemens einzukaufen und die ersten vier und dann zwei weitere ÖBB-Cityjets nach Deutschland zu vermieten.
„Ein Millionenbetrag“
Insgesamt würde den ÖBB dieses Geschäft „einen Millionenbetrag“ bringen, wird betont. Rieder: „Wir bekommen die Züge billiger und lukrieren auch noch Miete dafür.“ Das alles sei ein gutes Geschäft.
Im Büro von Kärntens Verkehrslandesrat Sebastian Schuschnig reagierte man zunächst verwundert auf die Nachricht, man bekomme doch keine neuen Cityjets. Es sei vertraglich zugesichert, dass ab heute, Freitag, für die Fahrplanumstellung acht neue Cityjets zur Verfügung gestellt werden: „Wenn es anders wäre, wäre das komplett neu für uns.“
Rieder bestätigt, dass Kärnten die vertraglich zugesicherten Cityjets bekommt, das alte Wagenmaterial werde im gesamten Schnellbahnnetz statt den Desiro ML, wie die Type eigentlich heißt, eingesetzt – also sind etwa auch Wien, Niederösterreich und das Burgenland betroffen.
Betont wird, dass es sich nur um vier Monate handelt, in denen die Züge vermietet sind. Danach, im März, würden die Cityjets wieder nach Österreich überstellt und hier plangemäß eingesetzt. Und die ÖBB hätten dabei Geld gespart.
________________
Cityjet versus 4020er:
Seit 2017 wird der hochmoderne „Cityjet“ in Österreich eingesetzt. Trotz mancher Kinderkrankheiten werden die S-Bahnen auf diesen Desiro ML von Siemens umgerüstet. Sie fährt bis zu 160 km/h.
Die von 1978 bis 1987 gebaute eckige 4020er-Triebwagengarnitur fährt 120 km/h und soll seit Jahren ausgetauscht werden. Seit dem Frühjahr werden diese Stück für Stück verschrottet.
Kommentare