Neues Quartier für Bettler
Tausend Jahre würden nicht reichen, um mich zu bedanken. Hier ist es wie im Paradies", sagt die 40-jährige Mirela und faltet die Hände vor dem Gesicht. Die Rumänin ist gemeinsam mit 25 anderen Bettlern am Sonntag in die "Arche Nord", der neuen Notschlafstelle der Caritas in Salzburg, gezogen.
Dieses "Paradies" besteht aus vier Wohnungen, die in einem Mehrparteienhaus im Stadtteil Lehen zusammengelegt wurden. Die Wände sind kahl, am Boden liegen Matratzen, es gibt vier Badezimmer, Küche und Gemeinschaftsraum. Insgesamt können dort 35 Frauen und Männer aufgenommen werden.
"Wir sind sehr froh, dass wir es bis zum Winter noch geschafft haben, ein geeignetes Quartier zu finden. Es ist kein Hotel, aber es reicht, um die kalte Jahreszeit zu überstehen", sagt Johannes Dines, Direktor der Caritas Salzburg. Kaffee und ein Marmeladebrot zum Frühstück, ein warmes Abendessen und frische Kleidung: Das ist der "Luxus", den die Caritas den Armutsmigranten hier bieten kann.
Das sei immerhin mehr, als sie in ihrer Heimat haben, erzählt Dorina, eine 54-Jährige aus dem rumänischen Dorf Pauleasca. Dort habe es heuer schon sechs Überschwemmungen gegeben. "Wir haben nichts mehr. Kein Haus, kein Essen, keine Arbeit. Ich bin nach Österreich gekommen, um hier Geld für meine Familie zu verdienen", erzählt die fünffache Mutter. Mitbewohnerin Mirela hat zu Hause zehn Kinder, die sie nicht ernähren kann. In Salzburg verkauft sie Straßenzeitungen. Tagesverdienst: Fünf bis sieben Euro.
Anrainer bieten Hilfe an
Der Aufenthalt in der "Arche Nord" ist auf zwei Wochen befristet. "Dieser Wechsel ist wichtig, damit wir möglichst vielen helfen können – auch einheimischen Obdachlosen, sofern der Platz da ist", erklärt Dines. Die Bedenken der Anrainer habe man im Vorfeld bei einer Bürgerversammlung aus dem Weg räumen können. "Wir waren selbst überrascht, wie viele uns jetzt ihre Hilfe angeboten haben."
Stadt und Land subventionieren die Notschlafstelle jährlich mit 200.000 Euro. Die Kosten hielten sich dank des Einsatzes vieler Freiwilliger und Sachspenden in Grenzen, sagt Dines. "Wir werden mit dem Geld gut auskommen." Die Wohnungen hat die Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt, allerdings nur bis Ende März. Dann wird das Haus abgerissen und die Suche nach einem Quartier beginnt von vorne. Geplant ist eine Unterkunft für insgesamt 50 Personen.
Laut Caritas sind aktuell bis zu 140 Armutsmigranten in der Stadt unterwegs, dazu kommen etwa 40 einheimische Obdachlose.
Es gibt verschiedenste Gründe, warum Menschen auch im reichen Österreich keinen Zugang zu medizinischer Versorgung finden. Da sind psychisch Kranke, für die ein Arztbesuch eine unbewältigbare Herausforderung darstellt. Und da sind jene, die aus verschiedensten Gründen keinen Versicherungsschutz besitzen und ihr Dasein auf der Straße fristen.
Rotes Kreuz und Caritas bieten diesen Menschen in Innsbruck seit einem Jahr mit dem gemeinsamen Projekt Medcare eine medizinische Basisversorgung. Wie dringend notwendig so ein Angebot ist, erklärt die medizinische Leiterin Uschi Waibel: "Wir hatten einen Patienten, der den Arm nicht mehr heben konnte. Es hat sich gezeigt, dass er vor mehreren Tagen einen Schlaganfall erlitten hat." Der Mann wurde in Zusammenarbeit mit der Klinik behandelt und hat überlebt.
Doch auch die nüchternen Zahlen zeichnen ein eindeutiges Bild. Seit November 2013 hat Medcare mit einer Ambulanz am Bahnhof und einem Rettungsmobil, das durch die Stadt tourt, 359 Patienten versorgt. Und Gertraud Gscheidlinger, zuständig für die sozialarbeiterische Betreuung bei Medcare, ist überzeugt: "Es gibt immer noch etliche, die die Schwelle, zu uns zu kommen, noch nicht überwunden haben."
Tirols Caritas-Präsident Georg Schärmer befürchtet, dass auf die freiwillig tätigen Ärzte und Sanitäter, die sich bei Medcare engagieren, in nächster Zeit noch einiges zukommen wird: "Die Zahl der Bedürftigen wird extrem zunehmen."
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