Neuer Kindergarten-Skandal: Die Phantom-Kinder von Floridsdorf

Dubiose Vorgänge in diversen Kindergruppen müssen untersucht werden
Neben Ermittlungen wegen Betrugsverdachts durch das Landeskriminalamt Wien hat auch die Finanz Untersuchungen eingeleitet.

Das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur aufheben. Nach diesem Motto soll ein 42-jähriger Austro-Türke und (früherer) Betreiber von insgesamt acht Kindergruppen in Wien, das Fördersystem der Stadt Wien weidlich ausgenützt haben. War bisher bekannt, dass er Mitarbeiter angeblich in Bildungskarenz schickte, obwohl diese Personen zum Teil weiterhin für ihn gearbeitet haben sollen, so bekommt der Fall nun ein ganz neue Dimension.

Denn: Dem KURIER liegen mittlerweile Anzeigen und belastende Aussagen vor. Und darin geht es um angebliche "Phantom-Kinder" und den Zugriff auf den gut gefüllten Fördergeld-Topf der Stadt Wien. So soll der findige Betreiber an einem Standort in Wien-Floridsdorf eine Kindergruppe aufgezogen haben, ohne die nötige Betriebsgenehmigung zu haben.

Dubiose Listen

Neuer Kindergarten-Skandal: Die Phantom-Kinder von Floridsdorf
Ewald Scheucher Rechtsanwalt Anwalt
"Meine Mandantin sagt, dass sie von ihm Anwesenheitslisten mit Kindern erhalten hat, die sie zum Teil nicht kannte und die auch nicht betreut wurden", sagt Anwalt Ewald Scheucher, der eine der Ex-Mitarbeiterinnen vertritt. "Es scheinen angeblich Kinder von Bekannten des Betreibers auf der Liste auf, die gar keine seiner Kindergruppen besuchten oder in der Türkei lebten." Nachsatz: "Es gibt offenbar keine lückenlose Kontrolle der tatsächlich betreuten Kinder, der Betreuer und der Betreiber durch die Stadt Wien."

Für allfällige Kontrollen sollen diese "Phantom-Kinder" in den Anwesenheitslisten mit K für "krank" und mit U für "auf Urlaub" eingetragen worden sein. Diese monatlichen Anwesenheitslisten über mehrere Jahre liegen dem KURIER vor.

Um Erklärungen war der redegewandte Unternehmer offensichtlich nie verlegen. Offiziell, so soll er der Mitarbeiterin gesagt haben, würden die Kinder in Wien-Floridsdorf "Workshops und Kinderkurse besuchen". Inoffiziell soll er diese 16 Kinder über einen seiner anderen Standorte in der Innenstadt gegenüber der Stadt abgerechnet haben.

Fragwürdige Vorgänge

Weitere acht Kinder soll er "auf dem Papier" an einen anderen Kindergruppen-Betreiber ausgelagert haben. Diese fremde Kindergruppe soll dann für diese acht Burschen und Mädchen wiederum Förderungen kassiert haben. Laut Aktenlage sollen die Eltern dieser Kinder aber im Sommer 2016 sogar aufgefordert worden sein, die Verträge mit dem anderen Betreiber zu unterschreiben und "rückwirkend mit Februar zu datieren". Das bestätigt auch eine weitere Zeugin dem KURIER.

"Elternbeiträge kassiert"

Indes soll der Austro-Türke laut Insidern die zusätzlichen Elternbeiträge weiterhin kassiert haben. "Meine Mandantin sagt, dass er dieses Geld unbedingt bar haben wollte, aber die Eltern verlangten Zahlungsbestätigungen von ihm", sagt Anwalt Scheucher. "Er hat den Eltern aber keine Bestätigungen für Zahlungseingänge, sondern zum Teil für Zahlungsausgänge ausgestellt." Es geht dabei um monatliche Zahlungen in Höhe von 190 bis 280 Euro. Dem KURIER liegen diese "Belege" zum Teil in Kopie vor.

Was die Frage aber aufwirft, ob diese Zahlungen auch in der offiziellen Buchhaltung der besagten Kindergruppen aufscheinen. Laut Aktenlage hat die Finanz gegen den dubiosen Unternehmer ein Verfahren eingeleitet. Und bei der Staatsanwaltschaft bzw. beim Landeskriminalamt sind Ermittlungen wegen Betrugsverdachts anhängig.

Der Bruder des Verdächtigen hat mittlerweile zwei Standorte eines insolventen Kindergarten-Betreibers übernommen, der derzeit ebenfalls die Gerichte beschäftigt. Der Bruder distanziert sich vom Verdächtigen, allerdings tauchen beide in verschiedenen Organisationen gemeinsam auf. Doch es ist nur von "brüderlicher Hilfe" die Rede.

Verantwortung bei Stadt Wien

Die beteiligten Magistratsabteilungen 10 und 11 sehen keine mangelnde Kontrolle. Bei der MA 10 heißt es, dass es ohnehin "nur um eine finanzrechtliche Sache" gehe und nicht um Verstöße gegen die Fördervereinbarung. Bisher gebe es "lediglich Zeugenaussagen". Zwei der Kindergruppen seien bisher die Fördergelder gekappt worden, allerdings wegen mangelnder Verlässlichkeit des Fördernehmers, wie es heißt. Die MA 11 will zu den Vorwürfen, sie habe zu wenig getan, nichts sagen, nur so viel: "Über die Einleitung von Erhebungen wurde die MA 11 seitens der Polizei in Kenntnis gesetzt, da bereits eine Anzeige erfolgt war."

"Nicht interessiert"

Fakt ist: Eine Ex-Mitarbeiterin des Verdächtigen hat Ende Juli beim Jugendamt ausgesagt. Sie bot Kontoauszüge und Belege an. "Die Damen vom Magistrat schienen nicht besonders interessiert zu sein", war ihr Eindruck.

"Mein Mandant will derzeit keine Stellungnahme abgeben", sagt Banu Kurtulan, Anwältin des Verdächtigen zum KURIER. Er sagt, handle sich um Missverständnisse. Doch die geschilderte Verdachtslage soll nur die Spitze des Eisbergs sein.

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