Im Freizeitpark "Gröna Lund" in Stockholm entgleiste am Sonntag eine Achterbahn und stürzte laut Augenzeugen aus großer Höhe ab. Dabei kam eine Insassin ums Leben, 14 weitere wurden verletzt, teilte die Polizei mit. Wie es zur Tragödie kam, stand am Montagnachmittag noch nicht fest. Die Untersuchungen dazu dürften Monate in Anspruch nehmen.
Nun stellt sich die Frage: Welche Gefahr geht von Achterbahnen und Fahrgeschäften in Freizeitparks aus? Und: Wie oft passieren solche Unfälle eigentlich? Offizielle Zahlen dazu gibt es kaum. "Solche Statistiken aus Österreich sind mir nicht bekannt. Gott sei Dank gibt es in Vergnügungsparks nur außerordentlich selten schwere Verletzungen beziehungsweise Todesfälle", sagt Bernhard Gerstberger, Geschäftsführer des Fachverbands der Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe.
Unfall- oder Mängelstatistiken für Achterbahnen gibt es auch in Deutschland nicht, weder der TÜV noch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft führen dazu Statistiken. "Entsprechende Vorkommnisse seit der Jahrtausendwende in stationären Freizeiteinrichtungen lassen sich an einer Hand abzählen", sagte etwa Jürgen Gevers, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen (VDFU) nach zwei Achterbahn-Unfällen mit Toten im vergangenen Jahr. "Die Sicherheitsstandards hier sind viel höher als in anderen Ländern."
"Eines der sichersten Fortbewegungsmittel"
Statistisch gesehen seien Achterbahnen "eines der sichersten Fortbewegungsmittel".
Das bestätigt auch Dietmar Klose, Abteilungsleiter der MA 36. Einmal im Jahr, meist vor Beginn der Saison, begeht der Magistrat mit einer Kommission den Vergnügungspark. "Die Betreiber der Fahrgeschäfte sind selbst für ihre Kontrollen verantwortlich. Sie müssen ein Gutachten von einem Ziviltechniker oder einem gerichtlich beeideten Sachverständigen beantragen, das von der MA 36 überprüft wird", erklärt Klose.
Sowohl der Sachverständige als auch ein Mitarbeiter der MA 36 überprüfen alle Anlagen auf sichtbare Schäden, Brandschutzvorkehrungen oder Elektroanlagen. "Die Betreiber sind außerdem dazu verpflichtet, ein Betriebstagebuch zu führen. Dort müssen alle Mängel und Fahrten genauestens dokumentiert werden", ergänzt Klose.
Strafen bis zu 12.000 Euro
Werden Mängel nicht behoben, folgen behördliche Maßnahmen. "Die höchsten Strafen, die im Zusammenhang mit dem Wiener Veranstaltungsgesetz anfallen können, betragen bis zu 12.000 Euro. So viel müsste man in etwa zahlen, wenn die Genehmigung, ein Fahrgeschäft zu betreiben, fehlt", erklärt der Abteilungsleiter der MA 36. Wie oft es nötig sei, solche Zwangsmaßnahmen zu setzen, könne Klose nicht genau beantworten. Es komme aber immer wieder vor.
Von Seiten des Wiener Praterverbandes heißt es auf KURIER-Anfrage, dass die Mitgliedsbetriebe sämtliche Vorschriften und Vorgaben nach bestem Wissen und Gewissen einhalten würden. "Die Sicherheit unserer Gäste hat für unsere Betriebe höchste Priorität. Jedes Fahrgeschäft hat ein eigenes Sicherheits-, Wartungs- und Evakuierungskonzept, das vom Hersteller vorgegeben, von Behörden abgenommen und vor Inbetriebnahme geprüft wurde", erklärt Sprecherin Bianca Kruisz.
Grundsätzlich werden jährlich vor Saisonbeginn Bauzustand und Betriebssicherheit der Anlagen von einem konzessionierten Zivilingenieur für Maschinenbau überprüft. Die Befunde werden der MA 36 vorgelegt. Täglich vor Betriebsbeginn erfolgt die technische Begehung inklusive Probefahrt. "Wartungen erfolgen anhand des Wartungsmanuals des Herstellers. Zudem setzen unsere Betriebe auf laufende Schulungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", sagt Kruisz.
Verhindern lassen sich Unglücke und Todesfälle aber auch mit den strengsten Sicherheitsvorkehrungen nicht, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Eine 30-jährige Fahrgeschäft-Mitarbeiterin etwa starb im Frühjahr 2022. Laut Angaben der Polizei betrat die Frau damals die Schienenbahn des "Olympia Loopings" und wurde von einem Zug erfasst.
Es handelte sich dabei um einen abgesperrten Gefahrenbereich, gab der Betriebsleiter damals bekannt. Die Attraktion mit 1.250 Metern Streckenlänge gilt als größte transportable Achterbahn der Welt, wie auf der Internetseite olymialooping.de vermerkt ist.
Im August 2017 wurde ein weiterer Angestellter erfasst, der für die Achterbahn "Volare" gearbeitet hatte. Zwei Touristinnen fuhren mit "Volare" - in der Achterbahn bewegt man sich parallel zum Boden entlang der Schienen - als ihr Waggon den Angestellten frontal von hinten erfasste, wie sie später aussagten. Der 26-Jährige wurde noch vor Ort wiederbelebt werden, er erlag in der Nacht im Spital seinen Verletzungen.
"Bei diesen tödlichen Unfällen handelte es sich jeweils um menschliches, nicht um technisches Versagen. Ausschließen kann man derartige Unfälle aber niemals", sagt der Abteilungsleiter der MA 36.
Ein Szenario, das man aber ausschließen könne, sei eine potentielle Gefahr für Freizeitparkbesucher durch einen Stromausfall. Erst am gestrigen Sonntag war ein Niederspannungsausgleichsschalter ausgefallen, wodurch der Betrieb im Prater für eine Stunde lahmgelegt war. "Viele moderne Fahrgeschäfte haben heute bereits eine USV-Anlage, also eine 'Unterbrechungsfreie Stromversorgung'. Fällt der Strom aus, reicht dieser Notstrom aus, um die Züge bei Achterbahnen wieder sicher nach unten zu bringen", betont Klose.
Bei älteren Anlagen seien automatische Bremsen eingebaut. Fällt der Strom bei diesen Fahrgeschäften aus, können Mitarbeiter die Insassen in den Waggons durch einen Bergesteig, der eingebaut sein muss, aus ihrer Notlage befreien. Durch einen Stromausfall sei im Prater aber noch niemals jemand zu Schaden gekommen, so Klose. "Ein Stromausfall ist ein vorhersehbares Risiko, dem man gut entgegensteuern kann."
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