Nach Freispruch will Asylwerber 275.000 Euro für 2 Jahre U-Haft
Im Sommer 2016 wurde Abid T. in Belgien als Terrorverdächtiger festgenommen. Dreieinhalb Jahre, zwei Prozesse, einen Freispruch und 692 Tage in Untersuchungshaft später klagt er nun die Republik Österreich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in der Höhe von 275.000 Euro. Die Klage ging beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein.
In Belgien kam T. in Haft, weil er als Komplize von zwei Terrorverdächtigen galt, die an den Terroranschlägen in Paris im November 2015 mit 130 Toten mitwirken hätten sollen. Die Staatsanwaltschaft Salzburg warf ihm vor, die beiden Männer in einem Salzburger Flüchtlingslager durch die Weitergabe von Informationen und den Austausch von Daten am Handy bei ihrer geplanten Weiterreise unterstützt zu haben.
Zunächst wurde er dafür im Oktober 2017 am Landesgericht Salzburg zu sechs Jahren Haft verurteilt. Im April 2018 hob der Oberste Gerichtshof das Urteil aber zur Gänze auf. Im neu aufgerollten Prozess kam es zu einem Freispruch im Zweifel für Abid T. Nun will er eine Entschädigung für die Zeit in der Haft.
Kläger in Schubhaft
Die Höhe der Schadenersatzansprüche erklärt T.’s Anwalt Wolfgang Blaschitz mit den Haftbedingungen. „Die Höhe ergibt sich aufgrund der Traumatisierung, die auch ich praktisch von Tag eins in der Haft mitverfolgt habe. Man hat ihn dort nicht gerade vorbildhaft aufgenommen“, sagt Blaschitz.
Neben der Entschädigung für 692 Tage in Haft, 34.600 Euro, fordert Abid T. seine Verteidigungskosten von rund 41.000 Euro sowie 200.000 Euro Schmerzensgeld. Laut der Klage leidet der Marokkaner seit der Haft an einer episodisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie. Nach der Urteilsaufhebung wurde er zwar aus der Haft entlassen, unmittelbar danach jedoch in Schubhaft genommen, in der er sich nach wie vor befindet.
Verfahren in Salzburg
Rund um die Terroranschläge von Paris 2015 wurden in Salzburg mehrere Personen verhaftet. In einem Flüchtlingslager sollen mehrere Männer zwei später nach Frankreich ausgelieferte, mutmaßliche Dschihadisten unterstützt haben
Schuldsprüche
Neben dem Verfahren gegen Abid T. gab es noch ein weiteres Verfahren gegen einen Marokkaner und einen Algerier, die zu sechs bzw. sechseinhalb Jahren Haft verurteilt wurden
Ein weiteres Verfahren
Gegen T. läuft allerdings bereits das nächste Verfahren. Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt wegen der mutmaßlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Blaschitz kritisiert auch dieses Verfahren heftig: „Das ist ein Schwachsinn der Superlative. Der betreffende Staatsanwalt kann einfach nicht verlieren. Wenn er sich in etwas verläuft, ist er nicht bereit, das einzusehen“, meint der Anwalt.
Konkret wird dem Marokkaner vorgeworfen, dass er eine Koransure mit Mithäftlingen radikal interpretiert haben soll. „Das soll bewirken, dass er ein Mitglied des islamischen Staates ist. Das ist absurd, wir haben kein Gesinnungsstrafrecht“, sagt Blaschitz. Das Verfahren läuft trotz eines Einstellungsantrags von Blaschitz weiter, Zeugen sollen vernommen werden. Bei der Zivilklage gegen die Republik läuft aktuell die Gutachtenerstellung.
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