Das Risiko der ersten Ausfahrten

Weniger Tote als im Vorjahr, und der positive Trend setzt sich fort.
Wieder- und Neueinsteiger ab 40 sind besonders gefährdet; schon zehn Prozent Bikerinnen.

Das erste echte Frühlingswochenende steht ganz im Zeichen des Starts der Motorradsaison. Zwei Trends sind ungebrochen: Immer mehr Frauen schwingen sich in den Sattel, und Neu- oder Wiedereinsteiger ab 40 entdecken die Freude am Biken.

"Aber gerade jetzt ist die Gefahr eines Unfalls hoch. Die ersten Saison-Ausfahrten sind extrem heikel", warnt ÖAMTC-Chefinstrukteur Georg Scheiblauer. 450.000 Bikes (inklusive Klein-Motorräder) sind in Österreich angemeldet; das sind etwa 60.000 mehr als noch vor sechs Jahren. Der Frauenanteil beträgt laut ÖAMTC-Schätzungen zehn Prozent; Tendenz steigend. Trauriges Detail: Mehr als 40 Prozent der 2013 tödlich verunfallten Lenker waren älter als 44 Jahre (siehe Grafik). Und genau diese Senior-Fahrer sind dieser Tage – neben den unverbesserlichen Rasern – besonders gefährdet. Scheiblauer: "Für Genuss- und Schönwetter-Fahrer sind Ausfahrten Events mit Freunden und Bekannten. Die Risikobereitschaft ist nicht das Problem. Es fehlt aber häufig an Fahrtechnik, Reaktion und/oder Selbsteinschätzung. Auch Witterungsverhältnisse können zum Problem werden."

Das Risiko der ersten Ausfahrten

Der Sprecher des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Christoph Feymann, ergänzt: "Wieder- und Neueinsteiger können exzellente Autofahrer sein. Beim Zweirad gelten aber andere Abläufe. Und Spätstarter leisten sich gern schwere Maschinen. Speziell zu Saisonstart ist man da schnell überfordert."

Das Risiko der ersten Ausfahrten
Georg Scheiblauer
Wegen des hohen Blutzolls kam auch der Gesetzgeber in Zugzwang. Seit März dieses Jahres sind bei der Ausbildung zum A-Schein für Biker ab dem 39. Lebensjahr 16 statt 14 Stunden Praxisfahrten vorgeschrieben. "Bei jungen Fahrern gilt ohnehin die bewährte motorbezogene Stufenregelung. Und Ältere erhalten somit mehr Sicherheit am Gerät", begrüßen Scheiblauer und Feymann die neue Regelung.

Beide Experten stellen den Zweirad-Freunden in Sachen technischer Zustand der Fahrzeuge und Ausrüstung ein gutes Zeugnis aus: "In der Regel werden diese Punkte beachtet. Sie gehören eigentlich zum Standard."

AnnäherungstempoEin beträchtlicher Teil der schweren Unfälle mit Motorrad-Beteiligung wird von Autolenkern verursacht. Nicht ganz ein Viertel der tödlichen Zusammenstöße geht auf das Konto von Autofahrern (zumeist Vorrangverletzungen). "Sie sind zu Saisonstart noch nicht an die schnellen Zweiräder gewohnt. Das Annäherungstempo wird unterschätzt", betont Scheiblauer.

Beide Experten appellieren an die Biker, Fahrtechnik-Trainings zu absolvieren. Dazu eignen sich vor allem Warm-ups. Diese Kurse dauern einen halben Tag und werden von erfahrenen Instruktoren geleitet. Scheiblauer: "In der Gruppe lernt man intensiver. Weil Vergleiche gezogen werden können, werden auch Defizite schneller akzeptiert. Nach einem Warm-up spürt man mehr Sicherheit. Mit Angst zu fahren, ist ganz schlecht."

Mit dem Start der Motorradsaison stehen besonders die neuralgischen Biker-Strecken wieder im Blickpunkt. Im Rahmen des "Bikers Project" wurden in den vergangenen Jahren die unfallträchtigen Strecken in Niederösterreich in Sachen Sicherheit und Lärmbelästigung genau unter die Lupe genommen.

Das Piestingtal, die Kalte Kuchl, das Helenen- und das Höllental sowie der Exelberg zwischen Wien und dem Tullnerfeld sind nur einige der risikoreichen Biker-Traumstrecken im Großraum Wien, deren sich "Bikers Project" angenommen hat. Fachleute erarbeiteten Maßnahmen zur Entschärfung der Gefahrenzonen. Neben provokanten Schildern, die vor "bissigen Strecken" warnen, wurden Leitschienen mit Unterfahrschutz ausgerüstet.

Dort, wo die Beschwerden der Anrainer besonders massiv waren, wurde versucht, die Biker mit Tempolimits einzubremsen. "Leider halten sich nicht alle daran", heißt es von Seiten der Interessensgemeinschaft Piestingtal. Die Gemeinden entlang der beliebten Strecke appellieren zu Saisonbeginn, das Tempo zu bremsen.

Immer mehr Frauen drehen am Gasgriff. Dagmar Halwachs, ÖAMTC-Mitarbeiterin machte vor sieben Jahren den A-Schein und spulte seither 33.000 Kilometer herunter.

KURIER: Wie sind Sie zum Biken gekommen?

Mein Sohn war erwachsen. Ich hab’ mir gedacht, jetzt kann ich machen, was ich will. Darunter auch Motorrad fahren.

Was gefällt Ihnen beim Biken besonders?

Parkplatznot ist kein Thema mehr. Und ich bin schneller im Büro. Mit den Öffis brauchte ich 45 Minuten. Mit dem Motorrad nur 15. Ich gewinne Zeit und hab’ Spaß.

Welche Maschine fahren Sie?

Noch immer meine erste, eine Honda Dominator 500. Ich sitze hoch, und der Überblick ist gut.

Gab es schon gefährliche Situationen?

Einmal bin ich beim Anbremsen gestürzt und hab’ mir das Knie angeschlagen. Nichts Dramatisches, aber ich bin von Haus aus vorsichtig.

Gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Bikern?

Rund ums Motorrad neigen die Männer zum Alpha-Tier. Und bei den Frauen ist das Imponiergehabe geringer. Wir gehen weniger Risiko ein. In Sachen Fahrtechnik hängt alles von der Routine ab. Ich kenne Männer, die besser, aber auch schlechter fahren.

Gehen Sie ans Limit?

Ich fahre mein Tempo. Wenn ich eingefahren bin, will ich aber auf Strecken, die ich kenne, etwas lernen.

Wohin geht die erste Tour?

Schon am 19. April nach Vorarlberg.

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