Motorrad: Höllenlärm gibt’s auf Knopfdruck

Motorrad: Höllenlärm gibt’s auf Knopfdruck
Mit der Zahl der Bikes steigt die Belastung der Bürger. Grüne Kritik an ungestopften Schlupflöchern.

Ein dumpfes Blubbern ist dieser Tage auf Kärntens Straßen allgegenwärtig. Tausende Motorräder sind dafür verantwortlich, dass der Volksmund im Zusammenhang mit dem traditionellen Harley-Davidson-Treffen im Bezirk Villach-Land von den sechs "Tagen des Donners" spricht. Während hier am Montag wieder Ruhe einkehrt, fühlen sich bundesweit jedoch immer mehr Menschen rund um die Uhr vom Motorradlärm belästigt. Großzügige Vorgaben und Schlupflöcher im innerstaatlichen Bereich lassen eine Vielzahl von Tricksereien zu.

Österreich verzeichnete in den letzten Jahren einen regelrechten Motorrad-Boom: 292.569 einspurige KFZ waren im Jahr 2002 registriert, laut Auskunft des Verkehrsclubs Österreich stieg diese Zahl bis Ende 2016 auf 502.250. Parallel dazu haben Anwohner verstärkt den Eindruck, dass der Motorradlärm zunimmt. Der im Juli 2017 veröffentliche Mikrozensus der Statistik Austria hat sich mit der Frage beschäftigt, von welchen Lärmquellen sich Österreicher beeinträchtigt fühlen. 9,2 Prozent nannten den Motorrad-Krach, der damit auf Rang fünf landete – weit vor Ruhestörern wie Flugzeugen oder Eisenbahnen.

Bezüglich der verkehrsbedingten Störgeräusche verfügt die Statistik Austria über Untersuchungen, die die Zunahme der Belastungen durch einspurige KFZ in den vergangenen Jahren illustrieren: Fühlten sich 2007 nur 13,9 Prozent von Motorradlärm beeinträchtigt, so waren es 2015 bereits 18,5 Prozent.

Frei oder ausgeliefert

Für Umweltmediziner Hans-Peter Hutter sind die Zahlen schlüssig: "Die Motorrad- Saisonen werden länger, die Frequenz höher und damit auch der Lärmpegel. Motorräder sorgen für einen viel höheren Belästigungsgrad, weil sie aus dem Gesamt-Verkehrslärm heraus identifizierbar sind. Es gibt zwei Pole: für die einen ist es ein Gefühl der Freiheit, für die anderen ein Gefühl des Ausgeliefertseins."

Probleme bereiten primär diejenigen Biker, denen der erlaubte Emissionswert von 80 Dezibel nicht ausreicht. Und die nach- sowie aufrüsten – im legalen wie auch im illegalen Bereich.

"Handlungsbedarf"

Die Grünen haben sich nun dieses Themas angenommen und in einer parlamentarischen Anfrage an Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) deponiert, er möge doch die innerstaatlichen gesetzlichen "Schlupflöcher im Scheunentor-Format" stopfen. Reinhard Gschöpf, Grüner Verkehrsreferenten im Parlamentsklub prangert an: "Wie kann es sein, dass bis heute nie definiert wurde, wann ’ungebührlicher Lärm’ beginnt, der laut Kraftfahrgesetz nicht verursacht werden darf? Und warum wird die gesetzlich vorgesehene Formulierung des ’sachgemäßen Betriebs’ nicht genutzt, um gegen Lärmbelästigung vorzugehen." Der Minister hat mit der Anfragebeantwortung bis 10. Oktober Zeit.

Faktum ist, dass bei den Tricks der Biker oft auch der Exekutive die Hände gebunden sind. Norbert Rohseano von der Kärntner Landesverkehrsabteilung ist beim Harley-Treffen mit der Jagd nach Krachmachern befasst. "Viele haben elektrische Lärmklappen im Auspuff eingebaut, die sie schließen, wenn sie uns bei den Kontrollen sehen und später wieder öffnen. Wenn wir sie ertappen, stellen wir oft 122 Dezibel bei diesen im Polizeijargon ’Nick Knatterton’ genannten Bikes fest", sagt Rohseano. Das übersteigt den Schalldruck eines Gewitterdonners.

3500 Euro

Rund 3500 Euro koste ein solches System, erzählt ein Kawasaki-Fahrer aus Holland, der anonym bleiben will. "Der Abgasstrom geht ohne Dämmmaterial raus, wenn ich per Knopfdruck die Klappe im Auspuff öffne. Das haben nicht nur Harleys. Wir wollen ja unserer Maschinen auch unter dem Helm hören." Im Sinne der Gesundheit wäre das Gegenteil förderlich, meint Hutter. "Für Menschen, die längerfristig Motorradlärm ausgesetzt sind, ist ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko vorstellbar", warnt er.

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