Moslems, die zu Christen werden

„Jesus spricht von Liebe und Vergebung. Mohammed von Rache und Umbringen“, sagt Josef. In Österreich will er sich zum Pastoralassistenten ausbilden lassen
750 Erwachsene ließen sich 2017 katholisch taufen/ 230 Flüchtlinge wollen evangelisch werden.

Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere hin.

Diese Sätze aus dem Lukas-Evangelium bezeichnet Josef (39, Name geändert, Anm.) als "Goldene Gesetze". Wenn jeder sie befolgen würde, gäbe es keinen Hass und keinen Krieg, meint Josef.

Seit der Afghane 2009 im Alter von 25 Jahren erstmals in der Bibel gelesen hat, kehrte er dem Islam den Rücken. Er fühlte sich als Christ. Seit Ostern ist er das auch offiziell – da wurde er in Österreich getauft.

Moslems, die zu Christen werden
Grafik

Damit ist Josef einer von 750 Erwachsenen, die im vergangenen Jahr katholisch getauft wurden – um 73 Prozent mehr als 2016 (siehe Grafik). Drei Viertel der Täuflinge stammen aus islamischen Ländern.

Undercover-Christ

Den Anstieg führt Friederike Dostal, Leiterin des Referats für Erwachsenenkatechumenat in der Erzdiözese Wien, auf den starken Zuzug von Flüchtlingen zurück. Allein von den 255 Erwachsenen, die die Taufe in der Diözese Wien erhielten, waren 150 Asylwerber oder Asylberechtigte. "Viele kommen nach Europa, weil sie den Islam hinter sich lassen wollen", sagt Dostal.

Manche würden sich besonders gut integrieren wollen, andere seien auf der Flucht mit dem Christentum in Berührung gekommen, wieder andere seien in ihren Heimatländern schon Mitglied von christlichen "Geheimkirchen" gewesen (siehe Bericht unten). Das war auch bei Josef so. Fotografieren lässt er sich nur mit Kapuze – aus Angst, muslimische Bekannte hier und in Afghanistan könnten von seiner Konversion erfahren. Schon dort unternahm Josef den Versuch einer Taufe – in einem Bach im Gebirge und "unter großer Angst", wie er erzählt. "Es war sehr gefährlich."

Der Freund, mit dem er Bibeln an junge Afghanen verteilt habe, sei gefangen genommen worden. Als Josef das erfuhr, sei er sofort nach Europa aufgebrochen. "Seitdem habe ich nichts mehr von meinem Freund gehört."

Lange Vorbereitung

Auch in der evangelischen Kirche gibt es aktuell auffällig viele Taufwerber – obwohl die Erwachsenentaufe an sich kein großes Thema sei.

Laut Karl Schiefermair, Oberkirchenrat für Bildungsfragen und Diakonie in der evangelischen Kirche, gebe es normalerweise zehn, vielleicht zwanzig pro Jahr. 2017 bewarben sich allein 230 Asylwerber und Asylberechtigte um die Taufe. Sie kommen vor allem aus dem Iran, aus Syrien und Afghanistan. Schiefermair teilt die Interessenten in drei Gruppen: Neben jenen, die schon im Heimatland verdeckt Christen waren, würden vor allem Schiiten (zweitgrößte Glaubensrichtung im Islam, Anm.) Gefallen am evangelische Glauben finden, weil es auch dort eine Erlöserfigur gibt. "Und manche machen es auch aus erfahrener Nächstenliebe."

Dass der Anstieg bei den Taufwerbern mit der Hoffnung auf Asyl bzw. darauf, nicht abgeschoben zu werden, einhergeht, glaubt Schiefermair nicht. "Das ist ein Generalverdacht, den ich ablehne. Das Gewähren der Taufe ist kein Kasperltheater, sondern die seelsorgerische Aufgabe, die jeder Pfarrer, jede Pfarrerin erfüllen muss." Dass die Kirche womöglich voreilig taufe, weil sie die Mehreinnahmen gut brauchen könnte, verneint er. Oft seien in solchen Fällen gar keine Beiträge einzuheben. Und vorgetäuschtes Interesse würde schnell bemerkt.

Denn die Taufvorbereitung dauert – in der evangelischen wie katholischen Kirche – mindestens ein Jahr. Vermittelt werden Inhalt (Bibelwissen, Glaubensbekenntnis, Vater Unser) und Einstellung. "Wenn sich jemand wie ein Pascha verhält, wird er nicht getauft", sagt Friederike Dostal. Es käme durchaus vor, dass Taufen verweigert werden. Einmal hat sie das 2017 getan.

KURIER: Die Zahl der Menschen aus islamischen Ländern, die sich in Österreich taufen lassen, ist stark gestiegen. Woran, glauben Sie, liegt das?
Thomas Schmidinger: Zum einen daran, dass die Gruppe der Muslime in Österreich größer geworden ist und es deshalb auch mehr Menschen gibt, die konvertieren. Zum anderen auch daran, dass manche den IS (Terrormiliz Islamischer Staat, Anm.) für islamisch halten. Für die einen ist das der Grund, sich dem IS anzuschließen, für andere der Grund, sich vom Islam abzuwenden. Und es ist sicher auch ein Indiz für die anti-muslimische Stimmung in der österreichischen Bevölkerung. Meistens ist es wohl ein Cocktail an Gründen, warum Menschen konvertieren.

Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche sprechen von „Geheimkirchen“ und „Untergrundchristen“ im Iran und in Afghanistan. Gibt es die tatsächlich?
Ja, das Phänomen der Undercover-Christen gibt es. In vielen Ländern der islamischen Welt gibt es neuerdings einen auffallenden Trend zum Atheismus und auch zum Christentum. Solange es nicht auffällt, gibt es keine Probleme. Sobald man beginnt, zu missionieren, wird es gefährlich.

Dann begeben sich manche auf die Flucht. Immer wieder hört man aber auch, dass Asylwerber konvertieren, um der Abschiebung zu entgehen.
Es gibt Asylwerber, die aus Überzeugung konvertieren und solche, die damit einen Asylgrund bekommen wollen . Grundsätzlich gibt es den sogenannten Nachfluchtgrund. Wenn etwa ein Asylwerber aus dem Iran nach Österreich flüchtet und hier zum Christentum konvertiert, kann ihn das vor der Abschiebung beschützen, weil ihm als Christ im Iran die Verfolgung droht.

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