Mord in Favoriten: „Sie hat die falschen Leute kennengelernt“
Immer wieder versagt Velia Dzemailoski die Stimme, seine Augen sind nach einer schlaflosen Nacht verschwollen. Er kann nicht fassen, dass er Stunden zuvor seine ermordete Stieftochter in deren Bett entdeckte. Und das in der Wohnung nur wenige Stockwerke über ihm.
Bei dem Opfer handelt es sich um jene junge Frau, die Dienstagfrüh in der Angeligasse in Wien-Favoriten erwürgt wurde. Zunächst hieß es, sie sei einem Bauchstich erlegen. „Das Opfer hatte mehrere Verletzungen, darunter eine Stichwunde im Bauchbereich. Todesursache war aber Erwürgen“, erklärt Polizeisprecher Christopher Verhnjak am Mittwoch.
On-off-Beziehung
Weiter unbekannt ist das Motiv des Verdächtigen, der mit der Frau in einer „On-off-Beziehung“ lebte. Der 29-Jährige, er soll Nuri heißen, ist nicht geständig und gab an, die Frau nach einem Spaziergang leblos gefunden zu haben. Eine erneute Befragung war am Mittwoch noch ausständig. Auch der Tathergang ist ungewiss. Als gesichert gilt lediglich, dass der Lebensgefährte der 28-jährigen Polin Daria K. gegen 5.30 Uhr bei deren Stiefvater, der in einer Einzimmerwohnung im selben Mehrparteienhaus lebt, läutete und um Hilfe bat.
Der 62-Jährige war es, der seine Stieftochter nackt und ohne Puls im Bett fand und die Polizei alarmierte. Der polnische Bauarbeiter, der 2002 mit seiner damaligen Frau und deren Tochter nach Wien kam, kümmerte sich bis zuletzt um die 28-Jährige. „Meine Daria war ein gutes Mädchen. Sie wollte Köchin werden, aber sie hat die falschen Leute kennengelernt“, erzählt er, während er sich Tränen aus dem Gesicht wischt. Mit diesen „Freunden“ sollen dann Alkohol und Drogen gekommen sein.
Dass in der Tatnacht Alkohol im Spiel war, heißt es auch aus Polizeikreisen. Rätsel gibt den Ermittlern die Tatsache auf, wie der Beschuldigte in die Wohnung kam. Denn das Opfer hatte bereits vor Mitternacht den Notruf gewählt, weil ihr Freund sie geschlagen haben soll. Dabei erlitt die Frau leichte Blessuren, sie wurde von der Rettung in ein Spital gebracht. Dieses verließ sie später, um zur Wohnungzurückzukehren. „Die Geschehnisse nach der Entlassung in häusliche Pflege sind Gegenstand der Ermittlungen“, heißt es von der Polizei. Aktuell gebe es keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen in die Wohnung.
Wie es so weit kommen konnte, kann sich auch Darias Stiefvater nicht erklären: „Ihr Freund stand in der Früh plötzlich völlig aufgelöst vor mir.“ Dass die beiden tranken und dann aggressiv wurden, sei aber keine Seltenheit gewesen.
Polizei evaluiert Einsatz
In den vergangenen Jahren sei die Polizei deshalb mehrfach vor Ort gewesen. „Meine Stieftochter konnte nicht mit und nicht ohne ihn“, beschreibt der 62-Jährige das Verhältnis. Tage vor der Tat habe sie ihre Nummer gewechselt, weil sie sich trennen wollte. Stunden später änderte sie ihre Meinung.
Die Polizei bestätigt Einsätze in diesem Zusammenhang. Sowohl Opfer als auch Täter waren wegen Handgreiflichkeiten gegeneinander amtsbekannt. Es habe „mehrfache polizeilich relevante Vorfälle“ wie Körperverletzung gegeben. Dabei wurden gegen beide Annäherungs- und Betretungsverbote ausgesprochen.
Das hätte eigentlich auch Dienstagnacht nach dem ersten Notruf passieren sollen, der Verdächtige war aber nicht auffindbar. Deshalb wurde der Einsatz nun auch intern evaluiert. Einer ersten Prüfung zufolge haben die Beamten korrekt gehandelt und das Opfer über Schutzangebote aufgeklärt.
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