Mit Panzer gegen Terroristen

Ungewöhnlicher Anblick: Kampfpanzer „Leopard“ auf der Europabrücke
Bundesheer und Polizei übten den Schutz von E-Werken, Brücken oder Wasserleitungen.

Trotz schwerster Budgetnöte führte das Bundesheer in den vergangenen Tagen eine Großübung mit 5500 Soldaten und schweren Kampfpanzern durch. Diese Übung sei unter anderem nötig, um – trotz der gravierenden Einschränkungen – zu demonstrieren, dass das Heer zumindest seine Kernaufgaben erfüllen kann, heißt es dazu aus dem Verteidigungsministerium.

Eine der wesentlichen Aufgaben des Bundesheeres ist der Schutz der sogenannten "kritischen Infrastruktur". Gemeint sind jene Objekte, die ein öffentliches Leben möglich machen. Etwa Kraftwerke, Wasserversorgungsanlagen und Verkehrsverbindungen.

Warlords

Übungsannahme war die Absicht der EU, militärisch in einem nordafrikanischen Land zu intervenieren. Dafür sollten Truppen durch die Bundesländer Vorarlberg und Tirol in den Süden verlegt werden. Die nordafrikanischen Warlords versuchten jedoch, so das Szenario, den Truppenaufmarsch mit Sabotagetrupps zu stören.

So einer Bedrohung müssen Innenministerium und Verteidigungsministerium gemeinsam begegnen. Daher nahmen an diesem Manöver neben Berufssoldaten, Rekruten und Milizsoldaten auch 250 Polizisten und Kräfte des Roten Kreuzes teil.

Begleitschutz

Es wurden das Pumpspeicher-Kraftwerk Jenbach sowie das Tunnelportal des Brennertunnels gesichert. An der Europabrücke gingen schwere Kampfpanzer "Leopard" in Stellung. Weiters wurde gepanzerter Begleitschutz für Konvois organisiert. Das Jagdkommando mimte die Terroristen. Außerdem wurden gewalttätige Demonstrationen eingespielt.

Dass Soldaten eines Tages wirklich zur Terrorabwehr benötigt werden, ist nicht unwahrscheinlich. So wurden auch bei den Terroranschlägen in Spanien 2004 und in London 2005 Soldaten für Absperr- und Fahndungsmaßnahmen eingesetzt. Und bei den Terroranschlägen im Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya zogen in kurzer Zeit Soldaten einen Kordon um die Regierungsgebäude und um das Parlament auf. Denn die Verantwortlichen wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, ob nicht ein neuerlicher Anschlag in Oslo droht.

Terrorabwehr

Bei einem derartigen Anschlag in Österreich könnte das Bundesheer 15.000 Berufssoldaten und 12.000 Rekruten aufbieten. Für die Ablösung der Truppe bei einem länger dauernden Einsatz stehen weitere 14.500 Milizsoldaten bereit. Berufsarmeebefürworter wenden zwar ein, dass Rekruten für die Terrorabwehr nicht geeignet seien. Aber auch vor dem Parlament in Oslo standen junge Rekruten (Bericht unten). Für einfache Wach- und Sicherungsaufgaben sind sie schon nach wenigen Wochen Ausbildung gerüstet.

Michael Schaffer, Präsident der Milizverbände, sieht aber Gefahr für das System. Einerseits zeigt er sich glücklich über den Ausgang der Volksbefragung zugunsten der Wehrpflicht. Denn mit einem Mini-Berufsheer könnte keine Infrastruktur beschützt werden, sagt er. Andererseits gebe es aber nach der Wehrdienstzeitverkürzung und der damit verbundenen Abschaffung der verpflichtenden Milizübungen starke Rückgänge bei der Milizarmee. Man müsse künftig Soldaten zu freiwilligen Waffenübungen motivieren, was angesichts der dramatischen Budgetsituation aber kaum zu bewerkstelligen sei, so die Kritik des Milizionärs.

Ursprünglich war der Schutz der kritischen Infrastruktur eine Angelegenheit des Bundesheeres und des Bundeskanzleramtes. Während des Kalten Krieges musste man davon ausgehen, dass die Rote Armee vor einem Angriff auf Westeuropa versuchen würde, mit Spezialtruppen (Speznaz) die Schaltstellen im Westen lahm zu legen – auch im neutralen Österreich. Damit hätten die Sowjets die Mobilmachung des Bundesheeres verhindern können. Deshalb durchforsteten Offiziere der Militärkommandos ihre Bundesländer und legten Kataloge mit sensiblen Objekten an. Außerdem wurde ein atomsicherer Regierungsbunker in St. Johann/Pongau, Salzburg, gebaut.

Die Befürchtungen der Militärs waren damals durchaus begründet und sind teilweise auch heute noch aktuell. Beispielsweise liquidierten Speznaz-Truppen kurz vor dem Einmarsch in Afghanistan im Jahre 1979 wichtige Mitglieder der damaligen afghanischen Regierung. Und zuletzt auf der Krim waren es ebenfalls Speznaz-Truppen, die ohne Vorwarnung die strategisch wichtigen Punkte der Halbinsel besetzten.

Der Warschauer Pakt ist zwar inzwischen aufgelöst, dafür gibt es aber seit den Anschlägen auf die Twin Towers in New York eine höchst reale Terrorgefahr. Die USA reagierten darauf mit der Schaffung eines eigenen Heimatschutz-Ministeriums. Und die EU rief das Programm für den Schutz kritischer Infrastrukturen (EPCIP) ins Leben.

In Österreich beschloss im Jahr 2008 der Ministerrat das österreichische Programm zum Schutz kritischer Infrastruktur, kurz APCIP (Austrian Program for Critical Infrastructure Protection). Damit wechselte die Zuständigkeit für den Schutz der kritischen Infrastruktur ins Innenministerium, und die heikle Aufgabe wurde im Sicherheitspolizeigesetz verankert.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung (BVT) erstellte einen Katalog der gefährdeten Objekte, der nun mehr als 400 Einrichtungen und Firmen erfasst. Das ist mit ein Grund, warum sich die meisten Experten des Innenministeriums für die Erhaltung der Wehrpflicht aussprechen. Denn für den Schutz so vieler Objekte bedürfe eines großen Personalrahmens, der realistischerweise nur durch eine Milizarmee aufgebracht werden könne, so der Tenor.

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