Defekte Brustimplantate: "Frust, Ärger und Tränen"
Geplatzte Implantate, Notoperationen, Industriesilikon, das krebserregend sein könnte: Einen weltweiten Skandal verursachte Poly Implant Prothese (PIP) mit seinen als mangelhaft kritisierten Brustimplantaten. Heute, Mittwoch, beginnt in Marseille der Strafprozess gegen den Geschäftsführer und vier Mitarbeiter (siehe auch unten).
Unter den Betroffenen sind auch 73 Österreicherinnen. Eine von ihnen ist die Grazerin Marie-Claude Putier: Das Schicksal der 47-jährigen Beamtin ist einer jener drei Fälle, die der VKI für seine Musterklage gegen den Konzern ausgewählt hat.
KURIER: Wie kam es, dass Sie eine Brustoperation machen ließen?
Marie-Claude Putier: Ich hatte Brustkrebs, den habe ich Gott sei Dank gut überstanden. 2009 habe ich die Krebsdiagnose erhalten. Die rechte Brust musste danach entfernt werden. Es war eine Wiederaufbau-Operation nötig, die hier in einem Sanatorium in Graz gemacht worden ist. Ich habe zu meinem Arzt gesagt, er kann die Brust entfernen, aber ich möchte nicht ohne neue Brust wieder aufwachen.
Sie haben sich darauf verlassen, dass das Implantat in Ordnung ist?
Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Implantat minderwertig ist?
Das war im Dezember 2010. Im Radio lief das um fünf Uhr Früh in den Nachrichten. Um acht Uhr hat mich dann auch schon mein Arzt angerufen und dringend zu einem Austausch des Implantats geraten.
Wie ist es Ihnen in diesem Moment gegangen?
Nach einer Brustkrebsdiagnose denkt man sich: Was soll einem noch Schlimmeres passieren? Im ersten Moment denkt man sich aber, man ist im falschen Film, jetzt geht das Ganze wieder weiter. Der Stoff gilt ja als krebserregend, das kann platzen.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie erneut operiert worden sind?
Von dieser Information bis zum Austausch sind vier Wochen vergangen.
Das müssen bange vier Wochen gewesen sein.
Bis zur Operation hat man schlaflose Nächte, Angstzustände, vier Wochen Ungewissheit. Da waren Frust, ein paar Tränen und einfach Ärger. Man wird aber dann besonders feinfühlig, jedes Ziehen in der Brustgegend, das vielleicht ganz normal ist, wird darauf zurückgeführt. Aber bei mir war das Implantat intakt, es ist nichts gerissen. Was jetzt dazugekommen ist, ist halt eine weitere Narbe.
Sie verfolgen den Prozess über Medien von Graz aus. Welche Bedeutung hat das Verfahren für Sie?
Ich denke mir, der Geschäftsführer und die Mitarbeiter, die so etwas produzieren, gehören ins Gefängnis. Man fragt sich da schon, was geht in solchen Menschen vor? Die wollen sich bereichern, und andere Leute tragen vielleicht dadurch einen Schaden davon. So etwas gehört bestraft. Ich hoffe, dass der Richter das in Frankreich entsprechend macht. Man sollte aber auch überdenken, wie diese Produkte überprüft werden: Ich habe gehört, dass die Kontrollen der Firma Tage vorher angekündigt worden sein sollen.
Die Silikonkissen des französischen Herstellers Poly Implant Prothese (PIP) stehen im Verdacht, den Tod mindestens einer Französin verursacht zu haben. Zigtausende weitere Frauen wurden gefährdet. Ab heute, Mittwoch, stehen in Marseille PIP-Gründer Jean-Claude Mas und vier leitende Angestellte des insolventen Unternehmens wegen vorsätzlicher Täuschung vor Gericht.
400.000 Geschädigte
In Deutschland und Frankreich gibt es jeweils etwa 30.000 Geschädigte. In Österreich ist die Anzahl der Opfer vergleichsweise gering, weil es keinen direkten Importeur für PIP-Produkte gab. Nur bei acht Patientinnen wurden die Silikonkissen hierzulande implantiert. Mittlerweile wurden diese bei allen acht Frauen wieder ausgetauscht. Alle anderen der 73 vom Verein für Konsumentenschutz (VKI) betreuten Frauen erhielten die Implantate im Ausland. Sie werden im Prozess von der VKI-Juristin Ulrike Wolf vertreten. Insgesamt 5200 Frauen meldeten sich mit ihren finanziellen Forderungen im Prozess in Marseille an. Etwa 200 davon kommen aus dem Ausland. „Die Österreicherinnen sind die größte ausländische Gruppe, die sich dem Verfahren angeschlossen hat“, sagt Wolf. Sie ist mit drei betroffenen Frauen beim Prozess dabei.
570.000 Euro
Insgesamt fordern die Österreicherinnen 570.000 Euro Schadenersatz. „Wir erwarten einen Zuspruch der geforderten Summe“, sagt Wolf. Sollten die Angeklagten nicht zahlungsfähig sein, „kann man die Summe über einen staatlichen Garantiefonds in Frankreich einfordern“.
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