Implantate: Firmengründer in Haft

Implantate: Firmengründer in Haft
Jean-Claude Mas hatte bereits seine Täuschungen zugegeben. Gegen ihn wird wegen "fahrlässiger Tötung und Verletzung" ermittelt.

Jean-Claude Mas - nicht nur in Frankreich eine Name, der Tausenden Frauen die Zornesröte ins Gesicht treibt. Der Gründer der Firma PIP ist am Donnerstag festgenommen worden. Viel zu spät, wenn es nach Opferanwalt Philippe Courtois geht: Die Festnahme hätte längst erfolgen können, meint er. Gegen Mas wird Im Skandal um defekte Brustimplantate wegen "fahrlässiger Tötung und Verletzung" ermittelt. Er wurde im Haus seiner Ehefrau im südfranzösischen Six-Fours verhaftet, wie Staatsanwalt Jacques Dallest in Marseille mitteilte. Er befindet sich vorläufig "in Polizeigewahrsam". Auch der Finanzchef des Unternehmens PIP, Claude Couty, wurde demnach im südfranzösischen La-Seyne-sur-Mer festgenommen, wo früher der Firmensitz war. Beide Anwesen wurden durchsucht.
Mas wird vorgeworfen, jahrelang Billig-Silikon in seinen Implantaten verwendet und dies bei Kontrollen verschleiert zu haben.

Das hatte er auch bereits in einem früheren Polizeiverhör zugegeben: Drei Viertel seiner Prothesen soll er mit einem Billig-Gel gefüllt haben, das er mit einem eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon des deutschen Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. Nur ein Viertel der Kissen habe das siebenmal teurere, medizinische US-Produkt Nusil enthalten, das Mas auch gegenüber den Kontrolleuren vom TÜV Rheinland angab. Der TÜV sei bei seinen angekündigten Kontrollen gezielt getäuscht worden. Unterlagen wurden laut Mas versteckt, die PIP-Angestellten hätten ganze Container verschwinden lassen.

"Billig, aber besser"

Bei der Staatsanwaltschaft in Marseille sind inzwischen mehr als 2500 Klagen von betroffenen Frauen eingegangen. Auch in Deutschland wurden erste Klagen eingereicht. Die Billig-Silikonkissen, die auffällig oft rissen, werden für Entzündungen und von den Opfern sogar für Krebsfälle verantwortlich gemacht. Mas verteidigte sich hingegen stets mit dem Hinweis, dass er zwar ein billiges Silikon verwendet habe, die Qualität sei aber sogar besser gewesen. Bisher wurden in Frankreich 20 Krebsfälle bei Frauen mit PIP-Implantaten registriert. Einen Beweis, dass das Billig-Silikon ursächlich ist, gibt es bisher nicht.

Weltweit wird geschätzt, dass 400.000 bis 500.000 Frauen die PIP-Implantate eingesetzt bekamen. In Deutschland könnten Experten zufolge bis zu 10.000 Frauen betroffen sein, in Frankreich etwa 30.000. Nach den französischen Behörden hatte deshalb auch das Bundesinstitut Anfang Jänner Frauen empfohlen, die Billig-Implantate vorsorglich entfernen zu lassen. Der Skandal hat in Europa auch eine Diskussion um die Sicherheit von Medizinprodukten generell ausgelöst. Die EU prüft, ob die Vorschriften für Kontrollen verschärft werden.

Viel Arbeit für die Anwälte

Im Zusammenhang mit dem Skandal laufen in Frankreich zwei Verfahren. Neben dem im Dezember in Marseille gegen Mas eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurden im Oktober 2011 die Ermittlungen wegen schweren Betrugs bereits abgeschlossen. Der Betrugsprozess soll Ende 2012 beginnen. Im Fall der fahrlässigen Tötung erwarten Experten ein jahrelanges Verfahren, bei dem in jedem einzelnen Fall überprüft werden müsste, ob es sich um fahrlässige Tötung oder Verletzung handelt.

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