Millionenklage nach Flugzeugabsturz
30. September dieses Jahres, kurz vor 7.30 Uhr: Eine Cessna vom Typ 414A verschwindet im Bezirk Innsbruck-Land auf 1600 Metern Höhe in einer Nebelwand. Sekunden später zerschellt die zweimotorige Maschine an einem steilen Berghang. Fünf Passagiere und der Pilot sterben, zwei Insassen überleben.
Zurück bleiben zwei Verletzte, die Familien der Toten und viele Fragen. Letztere könnten bald vor einem US-Gericht geklärt werden. Derzeit arbeiten amerikanische Juristen im Namen von fünf geschädigten Familien daran, das Verfahren in die USA zu transferieren. Dem Flugzeugverleiher mit Sitz in Texas blüht eine millionenschwere Schadenersatzklage.
Rückblende: Die sechs Tiroler aus Zell am Ziller und Mayrhofen sowie der Pilot bestiegen am Unglückstag um 6.50 Uhr die Maschine. Ihr Ziel: Valencia in Spanien, um dort einen Motorrad-WM-Lauf live mitzuerleben. Anders als bei einem vorherigen Trip achteten die Urlauber diesmal auf die Kosten: Nur 6500 Euro zahlten sie für den Transfer, den Pilot Alfred Filsecker, 51, mit der gemieteten Cessna durchführen sollte. Sie hatten ein Ticket in den Tod gekauft.
Letzten Samstag trafen 14 Angehörige und Betroffene zusammen. Am Tisch saßen auch Terrence Ford und Tracy Johnson – zwei „Crash-Anwälte“, die sich auf Flugzeugabstürze und Haftungsfragen spezialisiert haben. Vermittelt hat die US-amerikanischen Anwälte der Wiener Advokat Eduard Wegrostek.
Entschädigung
„In Österreich“, sagt Wegrostek, „müssen Hinterbliebene streiten, ob der Grabstein aus Granit oder Marmor sein darf.“ Entschädigungen seien hierzulande mickrig – anders als in den USA. Schon 1991, als eine Boeing von Lauda Air wegen eines technischen Defekts in Thailand abgestürzt war, zwangen US-Anwalt Ford und seine Kollegen den US-Flugzeugbauer Boeing in die Knie. Ergebnis: Millionenzahlungen an die Hinterbliebenen.
„Diesmal“, erzählt Anwalt Ford, 78, „ist der Fall anders gelagert.“ Diesmal gebe es kein technisches Gebrechen, sondern einen „Pilotenfehler“, für den der Flugzeugbesitzer, die Verleihfirma EURAM Inc., geradestehen müsse. Es mutet auf den ersten Blick verwirrend an: Filsecker mietete die Cessna bei EURAM Inc., die 34 Flieger besitzt und sie großteils in Europa verleiht. Wieso soll der Verleiher haften? Ford beruft sich auf die „Montreal Convention“, die den Beförderer in die Pflicht nimmt. Ford: „Es haftet der Besitzer der Maschine.“ Er beziffert die Wiedergutmachung mit „15 bis 20 Millionen Euro“.
Für Ford ist ein Pilotenfehler erwiesen. Fakt ist, dass der Pilot nur eine Bescheinigung für Sichtflüge, aber nicht für Instrumentenflüge besaß. Wie die Meteorologen der ZAMG „gutachtlich“ der Tiroler Polizei mitteilten, gab es vor dem Start „Hochnebel. Die Absturz-stelle lag im dichten Nebel“. Kaum bewältigbare Bedingungen für einen Sichtflug. Ein Überlebender sagte laut Ford, dass Filsecker einen Kompass am Handy zur Orientierung benutzt habe. Der Flieger sei auch überladen gewesen. Fords Kollege Johnson rechnet mit einer Erledigung binnen 18 Monaten. Ziel sei ein Vergleich. „Wenn nicht, dann klagen wir.“
Das Montrealer Übereinkommen vereinheitlicht Regeln über die Beförderung im Luftverkehr. In Österreich ist es seit 2005 in Kraft. Es hilft, Haftungsfragen im zivilen Flugverkehr – bei Schäden an Personen, Gepäck oder Fracht – zu klären.
Haftung
Grundsätzlich haftet jedes einzelne Luftfahrtunternehmen unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt, mit rund 135.000 Euro. Liegt ein klar festgestelltes Verschulden vor, so besteht eine unbeschränkte Haftung.
Am 26. Mai 1991 ereignete sich der schwerste Unfall in der Geschichte der österreichischen Luftfahrt. Ungefähr eine halbe Stunde nach dem Start in Bangkok stürzte die „Mozart“, eine Boeing 767-300 der Lauda Air, in einen Urwald. Alle 223 Personen an Bord kamen ums Leben – darunter 89 Österreicher.
Anfangs wurde ein Pilotenfehler verantwortlich gemacht. Untersuchungen ergaben später, dass eine defekte Schubumkehr am linken Triebwerk das Unglück ausgelöst hatte. An der Boeing war ein hydraulisches Ventil falsch konstruiert. Der US-amerikanische Flugzeughersteller änderte nach dem Unglück die Konstruktion. Die Piloten waren chancenlos. Das Flugzeug hatte sich auf den Kopf gestellt und war beinahe mit Schallgeschwindigkeit zu Boden gerast.
Es schlug die Stunde der Juristen. Die US-Anwälte Terrence J. Ford und Gerald Sterns klagten für die Hinterbliebenen. Mit einer Computersimulation wiesen sie nach, dass die Technik schuld hatte. Sterns Klienten erhielten mutmaßlich eine Gutmachung von mehr als einer Mio. US-Dollar von Boeing.
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