„Millionenerbin“ zockte 42-Jährigen ab

Cybercrime nimmt immer stärker zu
Immer wieder fallen Menschen im Netz auf Betrüger herein. Eine Spurensuche

Ein Wort fällt im Gespräch mit Rainer Tripolt besonders oft: Mensch. Der Leiter der Kriminalprävention des Landeskriminalamts Kärnten erzählt von Menschen, die zu Tätern werden. Und solchen, die Opfer sind.

Corona, Homeoffice, mehr Zeit im Netz – all dies hat Online-Betrügern seit Beginn der Pandemie in die Hände gespielt. „Viele sind durch das Homeoffice in einer Umgebung, die ihnen vertraut ist, in der sie sich wohlfühlen. Es denkt keiner daran, dass er zum Opfer von Betrügern werden könnte“, erklärt Tripolt.

Intime Fotos als Dank

Wohl auch nicht jener Villacher, dessen Fall nun publik wurde. Der 42-Jährige hatte einer vermeintlichen Französin, die vorgab, eine Millionenerbin zu sein, mehr als 131-mal kleinere Geldbeträge überwiesen, damit sie die anfallenden Kosten des Erbanspruchs aufbringen konnte. Als eine Art „Dankeschön“ bekam er intime Fotos. Die mehrere tausend Euro, die er überwiesen hatte, sah er nie wieder.

„Viele glauben, betrogen werden immer nur die anderen. So lange das Thema fern ist, können wir die Betroffenen in der Prävention nur schwer erreichen“, sagt Tripolt, der selbst einmal betrügerischen Machenschaften zum Opfer fiel. „Bei der Recherche einer Reiseroute wurde ich nach meinem Namen und Geburtsdatum gefragt.“ Wenig später folgte das böse Erwachen. Er erhielt eine Rechnung über ein abgeschlossenes Abo und wenig später die Information, dass im deutschsprachigen Raum eine Bande mit diesem Trick über 3.000 Personen abgezockt hatte.

In Kärnten sind aktuell vor allem die Betrugsmaschen „Lovescam“ (dem Opfer wird Liebe und später eine Notsituation vorgegaukelt und Geld erschlichen) sowie der Polizistentrick verbreitet. „Anrufer geben vor, einer Spezialeinheit anzugehören und zu wissen, dass man Geld oder Schmuck zu Hause hat. Den stellen Sie sicher, weil angeblich in der Gegend ein unmittelbarer Einbruch bevorstehe“, erklärt Tripolt. Nachsatz: „Und dann gibt es noch den perfiden Hinweis, ja keinen Kontakt zur örtlichen Polizei aufzunehmen. Das ist eine höchst professionelle und psychologische Schiene.“

Seit 36 Jahren ist Tripolt bei der Exekutive, elf davon in der Kriminalprävention. Warum Menschen im Netz völlig Fremden vertrauen, bleibt aber auch für ihn ein Phänomen.

Misstrauen im Netz fehlt

„Am neuen Platz in Klagenfurt würden Sie einem Fremden nie 100 Euro geben, aber in der gewohnten Umgebung vor dem PC fehlt da offenbar eine Schwelle.“ Hinzu käme soziale Isolation, vielleicht eine Durststrecke in der Liebe. „Corona hat sicher sein Übriges beigetragen. Die Menschen sind isolierter“ sagt der Polizist des Jahres, der sich zwei Dinge wünscht. Erstens: Dass gerade das Umfeld hellhörig wird und Alarm schlägt, wenn verdächtige Geschichten zutage kommen.

Zweitens: Eine höhere Sensibilisierung vonseiten der Polizei. „Bei einer Anzeige zu sagen: Da kann ich nichts machen, der Täter sitzt in Afrika – das mag zwar inhaltlich richtig sein, aber es geht darum, den Menschen, der in seiner Bedürftigkeit vor mir steht, zu sehen“, erklärt der Leiter der Kriminalprävention. Ein Ende der Betrügereien sieht Tripolt übrigens nicht: „Weil es immer Menschen gibt, die nicht argwöhnisch genug sind und solche, die das ausnützen.“

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