Milch nur von „glücklichen Kühen“

Die Milchkühe müssen künftig mindestens 120 Tage im Jahr auf der Weide stehen.
3000 Milchbauern legen sich neues Tierwohlsiegel auf, das den Tieren mehr Auslauf garantiert

Wie geht es eigentlich den Kühen, die die frische Milch für das Joghurt oder den Käse liefern? Weil sich immer mehr Konsumenten beim Griff ins Kühlregal die Frage nach der artgerechten Tierhaltung stellen, kommen auch die 38.000 Milchbauern mit ihren 530.000 Kühen in Österreich zunehmend unter Druck. „Das Tierwohl steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Eine dauernde Anbindehaltung ist nicht mehr zeitgemäß und wird vom Konsumenten nicht mehr goutiert“, erklärt Leopold Gruber-Doberer, Geschäftsführer der Milchgenossenschaft Niederösterreich. Mit mehr als 3000 NÖM-Milchbauern in Niederösterreich, dem Burgenland und der Oststeiermark ist die Milchgenossenschaft die größte Vereinigung von Milchbetrieben in Ostösterreich.

Um dem gestiegenen Qualitätsanspruch der Kunden zu entsprechen, haben sich die NÖM-Betriebe selbst ein neues, eigenes Gütesiegel auferlegt. Das Tierwohlsiegel soll quer durch die Produktpalette die strengeren Richtlinien der Bauern sichtbar machen. Bis 1. Jänner 2020 müssen alle Betriebe die Auflagen erfüllen. Darunter fällt die ganzjährige Auslaufmöglichkeit der Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr, das Gesetz schreibt hier nur 90 Tage vor.

Zweiter wesentlicher Bestandteil des Gütesiegels ist ein verpflichtender Betreuungsvertrag mit einem Tierarzt. Außerdem dürfen die Bauern für ihre Kühe nur zu 100 Prozent gentechnikfreie Futtermittel aus Europa verwenden. Kontrolliert werden die Auflagen durch die unabhängige Kontroll- und Zertifizierungsstelle AgroVet.

„Der Konsument bestimmt mit dem Griff ins Regal den Markt. Er entscheidet, ob er Produkte aus dem Ausland ohne Nachweis über die Herkunft oder heimische Qualität haben möchte“, sagt Gruber-Doberer.

Palmöl-Debatte

Wie sehr sich das Konsumverhalten auf den gesamten Markt auswirkt, hat die Palmöl-Debatte eindrucksvoll gezeigt. Aufgrund der Kritik und massiven Berichterstattung zur Rodung riesiger Regenwaldflächen für die Palmölgewinnung ist die Nachfrage nach dem Pflanzenöl in Österreich massiv zurückgegangen. „Wir erleben plötzlich ein Comeback des tierischen Fetts, was besonders der Butter eine Renaissance beschert“, sagt Gruber-Doberer. Viele Handelsketten setzen bei der Herstellung ihrer Produkte dadurch ausschließlich wieder auf Butterfett. Auch andere Qualitätsprodukte wie die Heumilch stehen hoch im Kurs. Für die Erzeugung muss gänzlich auf Futter aus Silage (Gärfutter) verzichtet werden.

Trotz zahlreicher neuer Nischen wie den Diätdrinks ist die Milchwirtschaft in Europa ein heiß umkämpfter Markt. Milch wird im Überfluss produziert und Österreich hat gegenüber seinen Nachbarn einen deutlichen Wettbewerbs-Nachteil. „Bei uns hat jeder Betrieb durchschnittlich 22 Milchkühe, sogar Griechenland hat im Schnitt mehr. Damit stehen wir im Wettbewerb zu der Massentierhaltung mit 1000 Kühen und mehr in unseren Nachbarländern“, erklärt Gruber-Doberer.

Wurden den heimischen Milchbauern vor einigen Jahren noch rund 45 Cent netto pro Kilogramm konventionell erzeugter Milch bezahlt, so liegt der Marktwert derzeit bei gerade einmal 32,5 Cent. Jedes Jahr werfen im Schnitt vier Prozent der Milchbetriebe das Handtuch.

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