Mehr Flüchtlinge wohnen privat

Hiba (29) und Bader (32) sind aus Syrien geflüchtet und wohnen jetzt bei Klaus und Marianne Brenn (hinten)
Die Zahl der Asylwerber, die nicht in organisierten Quartieren wohnen, hat zugenommen.

Zwei Drittel der Gemeinden in Österreich haben mittlerweile Flüchtlinge in Quartieren der Grundversorgung aufgenommen. Vor einem Jahr war es nur ein Drittel. Aber nicht nur die Zahl der Gemeinden, die sich zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit erklärten, ist gestiegen. Auch die Zahl der Flüchtlinge, die in Privatquartieren untergebracht ist, ist gestiegen.

In Salzburg waren Anfang des Jahres 715 Asylwerber bei Privatpersonen untergebracht. Jetzt, Ende August, sind es 956. Das entspricht einer Steigerung von 34 Prozent. In Tirol zeigt sich ein ähnliches Bild: Am 1. Jänner 2016 waren 766 privat lebende Personen in der Grundversorgung, mit Stichtag gestern, Montag, waren es 935. In Oberösterreich lebten Anfang dieses Jahres 1322 Flüchtlinge in Privatquartieren, jetzt sind es 2040.

Ähnlich die Entwicklung in der Steiermark und Kärnten, wo gegenüber dem Jahresbeginn die Zahl der Privatquartiere um 750 zugenommen hat. Leicht rückläufig ist die Zahl nur in Niederösterreich (minus 200). Vorarlberg konnte keine aktuellen Daten liefern.

Gute Erfahrung

Auch in Wien, wo derzeit 20.700 Asylwerber in der Grundversorgung sind, leben die meisten in Privatunterkünften, nämlich 12.830 Personen. 7870 wohnen in größeren, organisierten Quartieren. Diese Zahlen entsprechen einem Verhältnis von 62 Prozent (privat) zu 38 Prozent (organisiert). Zu Jahresbeginn, wo sich in der Bundeshauptstadt 18.600 Asylwerber in der Grundversorgung befanden, lag der Anteil der privat Wohnenden bei 44 Prozent (8180 Personen).

Unter jenen, die Flüchtlinge privat aufgenommen haben, ist auch Familie Brenn aus Hadersdorf-Weidlingau in Wien-Penzing. Im vergangenen August entschlossen sich Klaus und Marianne Brenn, Flüchtlinge ins Erdgeschoß ihres Hauses einziehen zu lassen. Die eigenen Kinder waren ausgezogen, also gab es Platz für "neue" Kinder. Über die Wohnberatung der Diakonie boten Klaus und Marianne Brenn ihr Erdgeschoß an, binnen einer Woche sind Hiba (29), Bader (31) und Ahmad (24) eingezogen.

Heute, ein Jahr später, wohnen zwei der ursprünglich drei neuen Mitbewohner – Bader und Hiba – noch immer bei den Brenns. Ob sie die Entscheidung, Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben, bereuen? "Nein, auf gar keinen Fall", sagen Klaus und Marianne Brenn. Und auch Hiba und Bader bereuen ihren Entschluss nicht.

Anfangs verbrachten die Brenns mit ihren neuen Mitbewohnern noch oft Abende mit Bauernschnapsen – die sind mittlerweile zwar seltener geworden (auch die "neuen Kinder" sind flügge geworden), aber der Umgang miteinander nicht weniger herzlich. Marianne Brenn organisierte für Hiba, die ein großes Herz für Tiere hat, zwei Hasen als Haustiere. "Sie hat einfach etwas zum Liebhaben gebraucht", erzählt Brenn. Jetzt leben Jojo und Mojo im Garten von Familie Brenn. Hiba ist mittlerweile Köchin im Restaurant "Habibi & Hawara" in der Wiener Wipplingerstraße und der 32-jährige Bader lernt intensiv Deutsch. Er ist Englischlehrer und will so schnell wie möglich wieder arbeiten. Klaus und Marianne Brenn sagen, sie würden "jederzeit wieder" Flüchtlinge aufnehmen.

Trotz guter Erfahrungen wie jener von Familie Brenn sind die Angebote an privaten Wohnraum bei der Diakonie aber im Vergleich zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle stark rückläufig. Im September und Oktober 2015 gingen in der Wohnberatung 20 Angebote täglich ein. Heute sind es drei pro Woche.

Abebben

"Jede Welle ebbt ab. Auch die Welle der Solidarität", sagt Hilmar Zschiedrich von der Diakonie. Auch die Wohnraumspenden beim Fonds Soziales Wien gingen zurück. Im Vorjahr gab es 400 Angebote, im laufenden Jahr waren es bisher 70.

Genug privaten Wohnraum gibt es aber immer noch nicht: Bei der Plattform "Flüchtlinge Willkommen" stehen derzeit 2000 Personen auf der Warteliste.

Zum Themenschwerpunkt "Flüchtlinge - ein Jahr danach"

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