Mehr als 100 Missbrauchsfälle von Heimopferrente nicht erfasst
Nicht ganz ein Jahr ist es her, seit der Nationalrat den Bezieherkreis von Heimopferrenten erweitert hat. Wie lückenhaft die Entschädigung von Misshandlungsopfern aber nach wie vor ist, zeigen mehrere aktuelle Fälle. Ein Betroffener aus dem Salzburger Flachgau wandte sich nun an den KURIER. Sein Martyrium liegt Jahrzehnte zurück, an den Folgen leidet der heute 73-Jährige noch immer. Anspruch auf eine Heimopferrente hat er trotzdem nicht.
Herr Eisl (Name von der Redaktion geändert) wurde in einer kleinen Volksschule am Land von Lehrern und dem Direktor in den 50er-Jahren über Jahre geschlagen und zu erniedrigenden Arbeiten gezwungen. Da die Misshandlungen aber nicht in einem Internat, sondern im regulären Schulbetrieb passierten, hat er keinen Anspruch auf eine Opferrente.
Eisl appelliert an die Politik, den Bezieherkreis noch einmal zu erweitern: „Damit alle, die in der Schule ein unbeschreibliches Martyrium erleiden mussten, zumindest eine kleine Rente bekommen.“ Die Heimopferrenten macht 300 Euro monatlich aus. Für den Mindestrentner würde die Summe einen Unterschied ausmachen.
Einmalige Entschädigung
Bereits vor Jahren hat die Klasnic-Kommission der Kirche Herrn Eisl als Opfer anerkannt, da auch der Religionslehrer in die Misshandlungen involviert gewesen war. Es gab eine einmalige Entschädigung in der Höhe von 5.000 Euro. Die damit verbundene Behandlung beim Psychologen konnte die posttraumatische Belastungsstörung, unter der Eisl leidet, nicht lösen. Nach wie vor verfolgen ihn die jahrzehntelang zurückliegenden Ereignisse im Traum.
Die Hoffnungen auf eine Heimopferrente sind aber gering. Eine neuerliche Erweiterung des Bezieherkreises wird es wohl nicht geben. Das hat mit dem Stillstand nach der Regierungskrise nichts zu tun.
Wenig Hoffnung
Als einzige der drei großen Parlamentsparteien kann sich die SPÖ eine neuerliche Erweiterung vorstellen. Aus den bisherigen Regierungsparteien hieß es vor der Auflösung der Koalition, dass keine weiteren Änderungen geplant seien. Betroffene könnten sich nach dem Verbrechensopfergesetz um Entschädigung bemühen.
Diese Information dürfte nicht nur Herrn Eisl enttäuscht zurücklassen. Die „Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt“ weiß von mindestens 100 Fällen, in denen Misshandlungsopfer mit ihrem Ansuchen um Heimopferrente gescheitert sind. In vielen Fällen passierte die Misshandlung nicht in Internaten, sondern im regulären schulischen oder kirchlichen Betrieb. Die Tatsache, dass das Gesetz klar zwischen Opfern in Internaten und außerhalb von diesen trennt, erweist sich für Betroffene als frustrierend.
Fall wird neu aufgerollt
Wie der KURIER nun erfahren hat, muss ein weiterer medial bekannter Fall aufgrund eines Formalfehlers neu aufgerollt werden. Ein heute 52-jähriger Steirer, der im Firmunterricht sexuell missbraucht worden war, zog mit seinem Ansuchen um Heimopferrente bis vor den Verfassungsgerichtshof – der seine Klage abwies.
Auch dem Akademiker wurde die Rente mit der Begründung verwehrt, dass der Missbrauch in einer Pfarre und nicht in einem Internat oder einer ähnlichen Einrichtung geschehen sei. Aufgrund einer nicht rechtskonformen Zusammensetzung des Erstgerichts muss der Fall nun neu verhandelt werden.
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