Mediziner warnen vor Zusammenbruch der 24-Stunden-Pflege
Im Ringen um eine Lösung für die heimische 24-Stunden-Pflege, bei der wegen der Corona-bedingten Einreisebestimmungen für ausländische Pflegekräfte bald eine Verschärfung der Lage droht, gibt es seit Wochen keine Klarheit. Mediziner warnen nun erneut vor einem Zusammenbruch der Betreuung. Im Gesundheitsministerium wiederholte man, dass es Bestrebungen gebe, eine "ordentliche Lösung" zu finden.
Derzeit müssen ausländische 24-Stunden-Betreuerinnen bei der Einreise nach Österreich vor Antritt ihres Turnus ein ärztliches Attest über einen negativen Corona-Test vorweisen. Der Test darf nicht älter als vier Tage sein. Ohne Attest darf man zwar auch einreisen, in diesem Fall muss sich die Pflegekraft jedoch in eine 14 Tage dauernde Quarantäne begeben, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Absitzen muss man diese Zeit außerhalb der Räumlichkeiten der zu betreuenden Person. Wenn währenddessen auf freiwilliger Basis ein Test durchgeführt wird, der negativ ausfällt, kann diese Quarantäne unterbrochen bzw. verlassen werden, hieß es weiter.
Laut Ministerium ist die Wirtschaftskammer derzeit dabei, "ein entsprechendes Prozedere für eine flächendeckende Abwicklung zu entwickeln". Weiterhin sei es das Ziel der zuständigen Behörden, dass keine Unterversorgung in der Pflege entsteht, teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Samstag mit.
Dieses System droht in den kommenden zwei Wochen zusammenzubrechen
Genau das befürchten jedoch immer mehr Experten. "Dieses System droht in den kommenden zwei Wochen zusammenzubrechen, da der Grenzübertritt nach Österreich aufgrund der Corona-bedingten Reisebeschränkungen nicht mehr legal stattfinden kann", warnten am Wochenende Christian Fazekas, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin (ÖGPPM) von der Med Uni Graz, und Edgar Wutscher, Bundesobmann der Sektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer und Praktischer Arzt in Sölden. Fazekas befürchtet, dass das System der durchgehenden Pflege betagter Angehöriger zuhause in den kommenden zwei Wochen weitgehend kippen könnte, teilte er mit.
Viele ausländische Pflegerinnen hätten ihren Aufenthalt bereits verlängert, doch auch sie wollten irgendwann nach Hause, führten die beiden Mediziner vor Augen. "Die Pflegerinnen, die von ihnen betreuten Personen und deren Angehörige sind in einer akuten psychosozialen Notsituation, wobei für die Personen mit Pflegebedarf natürlich auch massive gesundheitliche Belastungen und Gefahren drohen", warnte Wutscher in der Aussendung. Fazekas befürchtet aufgrund des Drucks und der Verunsicherung eine "Zunahme an psychischen Störungen, etwa in den Bereichen Angst, Panik und Depression". Außerdem sei bei Betroffenen mit einer Verschlechterung des gesamten gesundheitlichen Zustandes, beispielsweise bei Herz-Kreislauferkrankungen oder durch Entgleisung bei Diabetes zu rechnen.
Für eine vernünftige Regelung wären regelmäßige und konsequente Testungen bei den 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich und im benachbarten Ausland der zentrale Ansatzpunkt, um legale Ein- und Ausreise ohne Quarantäne mittels Reisegenehmigungen sicherstellen zu können, sind die Mediziner überzeugt. "Gesundheitsministerium und Außenamt sollten diesen Vorschlag prüfen und mit den genannten Nachbarländern eine entsprechende Einigung erzielen - und das möglichst schnell", forderte Fazekas.
Die bisher unternommenen Bemühungen zur Stabilisierung der Situation betrachten Wutscher und Fazekas als nicht ausreichend. "Die Gefahr ist groß, dass bislang daheim betreute Personen vielerorts ihr Zuhause verlassen müssen, einem höheren Risiko einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 ausgesetzt werden, und Allgemeinmediziner, Pflegeheime und Krankenhäuser auf kurz oder lang die Misere eines gekippten Versorgungssystems in der 24-Stunden-Pflege zusätzlich auffangen müssten", befürchtet Wutscher und ergänzte: "Niemand kann das wirklich wollen."
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