Magnetfischen: Stille Wasser sind tief – und bergen „Schätze“
Alles begann bei einem Lockdown-Spaziergang vor acht Monaten. Alexandru Vacarius Tochter sah auf der Donauinsel einen Mini-Roller am Grunde der Donau.
„Papa, da ist ein Roller. Den will ich“, sagte sie. „Um ins Wasser zu steigen, war es zu kalt – also gingen wir nach Hause und bastelten mit einem Haken und einer Schnur eine Art Angel“, sagt Vacariu. Der 40-Jährige fischte den Roller aus dem Wasser, reinigte ihn und machte seiner Tochter damit eine Freude. So eine Freude macht er jetzt auch Passanten.
Er steht regelmäßig am Donaukanal – mit einer Schnur in der Hand. An dieser ist ein Magnet befestigt. Dann lässt er Schnur und Magneten zweimal Schwingen und wirft den runden Magneten aus. Wie einen Anker. „Nicht zu weit, denn die meisten Dinge verstecken sich dort, wo Menschen vorbeigehen, also bei Brücken oder Stegen“, sagt er.
Ein großer "Fisch"
Langsam zieht er die Schnur zurück an Land. Das ist der spannende Moment. An seinem Gesichtsausdruck erkennt man: Es ist wohl ein größerer „Fisch“. Und schon hat er ein Skateboard in der Hand. Es tropft, ist schlammverschmiert und riecht tatsächlich nach Fisch. Später kommt ein Passant vorbei, der darf das Skateboard mitnehmen.
Die meisten Dinge findet man beim Magnetfischen an Stellen, wo Menschen vorbeigehen – bei Brücken oder Stegen
Glücksritter auf Youtube
Eigentlich ist Vacariu Koch. Im Zuge der Corona-Krise wurde er in Kurzarbeit geschickt. Und in dieser Zeit hatte er etwas Neues, viel Aufregenderes gefunden: das Hobby „Magnetfischen“.
Nach seinem ersten Erfolgserlebnis mit dem Roller recherchierte er online. Und siehe da: Er ist nicht allein. Es gibt einen Trend und dazu mehr als 500.000 Youtube-Videos. Auf der ganzen Welt begeben sich Menschen auf „Schatzsuche“. Corona und die viele Freizeit haben den Sport der Glücksritter boomen lassen.
Wie es funktioniert?
Problemlos kann man im Internet Magnet-Angel-Sets bestellen. Viele Anbieter verkaufen Bergemagneten mit einer Zugkraft von 85 Kilo (ab 15 Euro) bis sogar 910 Kilogramm (ab 84 Euro). Zusätzlich gibt es im Set eine Schnur, Handschuhe und Karabiner.
Ziel der Fischer ist es, in Seen, Teichen und Flüssen metallische Gegenstände vom Grund zu heben und vielleicht etwas Wertvolles zu entdecken. Der Nachteil an der Geschichte: Magnetfischen kann lebensgefährlich sein. Das weiß auch Vacariu. „Es sind schon Menschen gestorben“, sagt er.
Equipment und You-Tube Channel
Mit Equipment: Magneten, Angeln, Schnüre und Haken ist der Magnetfischer in Wien unterwegs. Interessierte Passanten werden auf den You-Tube-Channel verwiesen.
Baumaterial
Baustellen-Teile und Rohre: Das Altmetall liegt am Grund des Donaukanals
Fahrräder und Skateboards
Räder, Roller, Skateboards sind keine seltenen Funde.
Sonnenschirm
Vacariu zog unlängst einen alten Sonnenschirm aus dem Wasser.
Waffen
Immer wieder werden Waffen entdeckt: Waffen jeder Art und aus unterschiedlichen Zeitepochen.
Autoradios, Hard Disks
Im Wasser werden auch Festplatten, Autoradios und Handys gefunden.
Granaten
Bereits mehrere Granaten wurden aus dem Wasser gefischt. So einen Fund muss man sofort bei der Polizei melden.
Die Magnete können Herzschrittmacher beeinflussen, manche Fischer fallen ins Wasser und immer wieder findet man Munitionsreste oder Blindgänger. „Wenn man Granaten, Munition oder Waffen findet, muss das gemeldet werden“, weiß er.
Gefährlich ist die Muniton nach wie vor, auch nach 70 Jahren, ob an der Oberfläche oder unter Wasser.
Bei seinem jüngsten Fund am Donaukanal – Höhe Marienbrücke – musste Vacariu genau das tun. Es handelte sich um eine Sprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Gegend wurde für die Bergung gesperrt. Das Kriegsrelikt wurde vom Entminungsdienst des Bundesheeres entsorgt. „Gefährlich ist die Muniton nach wie vor, auch nach 70 Jahren, ob an der Oberfläche oder unter Wasser“, sagt dazu Wolfgang Korner, Chef des Entminungsdienstes.
Geschichten im Wasser
„Wir machen es, um die Umwelt zu schützen, weil es Spaß macht, verkauft wird nichts“, sagt Vacariu. Aber was ist so reizvoll an der
Freizeitbeschäftigung? Erstens geht man – anders als beim echten Fischen – selten mit leeren Händen nach Hause. Und zweitens sind die Spannung und die Frage danach, was wohl diesmal am Magneten hängen könnte, enorm: „Oft findet man Handys hier in der Kanal-Party-Zone“, sagt Vacariu. Was war der aufregendste Fund? „Ein Safe im Wien-Fluss – der war natürlich leer“, sagt er. Von den Schatzsuchen gibt es Videos, diese postet er in der von ihm gegründeten Facebook-Gruppe (Magnetfischen Österreich). 250 Fans hat er.
Ist das alles erlaubt? Rechtlich befinden sich die Fischer derzeit in Österreich noch in einem Graubereich. „Wir dürfen nicht in privaten Gewässer fischen“, sagt Vacariu. Laut MA 45 (Wiener Gewässer) benötigt man eine Genehmigung vom Grundeigentümer. Die Wasserstraßen-Gesellschaft „Via Donau“ will dafür jetzt eine wasserrechtliche Basis schaffen.
Leichenfunde, Waffen
„Interessant sind die Geschichten hinter den Gegenständen“, sagt Vacariu. Weltweit sind die Funde mitunter auch erschreckend: In Amsterdam wurde aus der Amstel eine Kalaschnikow gezogen. In England eine Leiche in Handschellen.
Vacariu zieht an diesem Tag noch den Handgriff eines Kinderwagens, eine Kamintür und den Rest einer alten Waffe – wohl eine Pistole – aus dem Wasser.
Könnte man darauf Spuren finden? Laut Bundeskriminalamt hängt das von der Wasserqualität, dem Material und der angewandten Methode ab. „Vermutlich von einem Raubüberfall, oder?“, fragt Vacariu.
Wir werden es wohl nie erfahren.
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