Richtung Deutschland ging nichts mehr
Die Rolltreppe zu Bahnsteig 2 am Salzburger Hauptbahnhof wurde am Montag zum Nadelöhr für Hunderte Flüchtlinge, die nach Deutschland weiterreisen wollten.
Rund 1000 hatten die Nacht zum Montag in einem Notquartier in der Tiefgarage des Bahnhofs verbracht. Doch pro Zug wurden neben den übrigen Fahrgästen gestern nur wenige Flüchtlinge mitgenommen. So kam es gegen 19 Uhr zu tumultartigen Szenen, als vor der Treppe eine Menschentraube auf einen der letzten Railjets des Tages nach München wartete. Polizisten versperrten den Flüchtlingen den Weg zum Bahnsteig.
„Lasst die Frauen mit den Kindern durch“, rief ein Ägypter, dem man ein Megafon gegeben hatte, und stimmte zwischendurch sogar ein arabisches Lied an, um die Menge zu beruhigen. Es gelang ihm nicht. Als die ersten Frauen durchgelassen wurden, brach beinahe Chaos aus. Männer drängten sich vor, stießen Schwächere zurück, Frauen schrien, Kinder weinten.
Jene, die es in einen Zug geschafft hatten, kamen nur wenige Kilometer weit: Im bayrischen Freilassing wurden sie von Beamten der deutschen Bundespolizei aus den Zügen geholt. „Sie werden am Bahnsteig erstregistriert und dann zur nahe gelegenen Dienststelle gebracht“, sagt der deutsche Polizeisprecher Matthias Knott.
Angst vor Uniformen
Dass Deutschland seit Montagfrüh jeden Zug aus Österreich kontrolliert, dürfte sich langsam, aber doch herumgesprochen haben. Viele Flüchtlinge befürchten, wieder zurück nach Ungarn geschickt zu werden, wo sie ihren Fingerabdruck hinterlassen mussten: „Ich habe keinen Pass. Was passiert dann mit mir?“, fragt ein junger Syrer beim KURIER-Lokalaugenschein auf dem Salzburger Bahnhof.
Die Polizei war mit etwa 60 Beamten vor Ort. „Wir sorgen für einen geordneten Ablauf, aber wann sich die Lage entspannt, ist nicht absehbar“, erklärte Polizeisprecher Michael Rausch.
Das Bundesheer hat rund 20 Soldaten zum Hilfseinsatz geschickt. Sie unterstützen die Caritas und das Rote Kreuz bei der Verteilung von Materialen für die Unterbringung und bei der Essensausgabe. Ihr Auftreten in Uniform hatte kurzfristig für Unruhe gesorgt: Viele Flüchtlinge hatten Angst. Am Abend blieben rund 600 Schutzsuchende am Bahnhof zurück. 33 stellten einen Antrag auf Asyl.
Weil heute, Dienstag, mit einem noch stärkeren Andrang gerechnet wird, wurden zusätzlich zu den 1000 Plätzen in der Bahnhofsgarage 600 Schlafplätze in einer stillgelegten Fabrikshalle in Salzburg-Kasern geschaffen.
Kilometerlanger Stau
Aufgrund des Rückstaus durch die Polizeikontrollen in Freilassing kam es zu längeren Wartezeiten für die übrigen Fahrgäste. Die Fernverkehrszüge würden aber weiterhin fahren, versicherte ein ÖBB-Sprecher.
Die verstärkten Grenzkontrollen der deutschen Behörden zeigten am Montag auch massive Auswirkungen auf die Verkehrslage entlang der Straßenübergänge nach Bayern. Besonders viel Geduld mussten Autofahrer auf der Innkreisautobahn (A8) im Bereich Suben (OÖ) sowie der auf deutscher Seite anschließenden A3 aufbringen. Bayrische Polizisten kontrollierten bei Pocking jedes Fahrzeug. Ein Baustellenbereich, der nur einspurig befahrbar war, sorgte noch zusätzlich für Verzögerungen.
„Der Rückstau hat seit dem Vormittag eine Länge von rund 20 Kilometern“, erklärte Oberst Klaus Scherleitner, Chef der Landesverkehrsabteilung. Die Verzögerungen betrugen bis zu zwei Stunden. Lkw-Lenker, die die Wartezeit gleich für eine 15-minütige gesetzliche Ruhezeit nützen wollten, verschärften die Situation. „Wir müssen immer wieder durchfahren und sie aufwecken“, betonte Scherleitner.
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