Licht und düstere Schatten beim krisengebeutelten Bundesheer

Niederösterreichische Milizionäre üben hochmotiviert den Objektschutz und den Katastropheneinsatz. Künftig sollen auch sie bei Katastrophen alarmiert und eingesetzt werden.
Das Sparpaket schlägt bereits voll auf die Truppe durch und zerstört die Stimmung. Gleichzeitig übt aber eine hochmotivierte Miliztruppe. Sie soll künftig eine noch wichtigere Rolle spielen.

Während in den Kasernen düstere Zukunftsangst dominiert (Bericht unten), pirschen durch die Wälder des Truppenübungsplatzes Allentsteig hochmotivierte Miliz-Soldaten. Die 500 Milizionäre des Jägerbataillons Niederösterreich lassen sich durch das Spardiktat ihren Idealismus nicht nehmen.

Der Bataillonskommandant, Oberst Bernd Kranister, ist im Zivilberuf Controlling-Manager bei der EVN. Seine Soldaten kommen aus allen Berufsgruppen. Sogar ein Baumpfleger, der bereits 100 Meter hohe Mammutbäume bestiegen hat, ist dabei.

Eigentlich dürfte es die Truppe nach der Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate im Jahr 2006 gar nicht mehr geben. Viele verpflichten sich aber während des Grundwehrdienstes freiwillig für Waffenübungen. Das ist der Beweis für Kranister, dass die Entscheidung der Bevölkerung für die Wehrpflicht richtig war.

Kreative Offiziere

Licht und düstere Schatten beim krisengebeutelten Bundesheer
Bundesheer (Schattenseite)
Alle zwei Jahre treffen sie sich bei einer Übung. Diesmal merkten die Milizionäre beim Einrücken in der Kaserne Amstetten, dass beim Heer einiges aus dem Lot geraten ist. Statt der üblicherweise 70 vorhandenen Klein-Kfz standen diesmal nur sieben Pinzgauer zur Verfügung. Und die Lkw-Flotte ist von 60 auf 26 geschrumpft. Und dass sie für den Kampf im Wald auch einen einigermaßen brauchbaren Regenschutz ausfassen konnten, verdanken sie nur kreativen Offizieren des Militärkommandos in St. Pölten. Denn die haben in irgend einem Lager noch alte Regenjacken entdeckt und ausgegeben. Doch dass tat der Stimmung keinen Abbruch. Verlegt nach Allentsteig wurde mit Ersatzfahrzeugen. Am Übungsplatz waren alle Trainingsanlagen und Schießplätze zu Fuß erreichbar.

Sie wollen auch bei der nächsten Übung wieder dabei sein. Beispielsweise der 31-jährige Wachtmeister Christoph Teubel aus St. Pölten. Er ist im Zivilberuf Installateur, und schätzt insbesondere die Kameradschaft in der Truppe. Und Leutnant Daniel Deimel aus Dobersberg will weiterführende Kurse machen. Er ist Maschinenbaustudent. In den Ferien will er sich beim Bundesheer zum Sprenggehilfen weiterbilden und den Kompaniekommandantenkurs machen.

Mobilmachung

Licht und düstere Schatten beim krisengebeutelten Bundesheer
Bundesheer (Schattenseite)
Ein oft geäußerter Wunsch der Soldaten ist es, auch einmal in einen Einsatz einberufen zu werden. Es sei betrüblich, wenn man etwa bei einem Hochwasser trotz ausgezeichneter Ausbildung untätig zuhause sitzen müsse. Das soll sich bald ändern, erklärte ihnen der stellvertretende Generalstabschef, Generalleutnant Bernhard Bair, während eines Übungsbesuches. Bair: "Die Miliz muss in den Einsatz gehen. Wir werden von der Politik ein vereinfachtes Verfahren zur Aufbietung der regional zuständigen Miliz bei Großschadensereignissen einfordern."

Der Hintergrund: Die Mobilmachung der Miliz ist nur für den Kriegsfall vorgesehen. Es ist die "Ultima Ratio" der Republik. Und das war mit ein Grund dafür, dass im Jahr 1991 für die Grenzsicherung an der slowenischen Grenze während des Jugoslawien-Konfliktes nicht gut ausgebildete Milizionäre, sondern junge Rekruten eingesetzt wurden. Denn eine Teilmobilmachung wäre ein zu starkes politische Signal an das Ausland gewesen, meinte man damals. Deshalb will der Generalstab nun ein vereinfachtes Verfahren für den Katastrophenfall. Und beim nächsten Hochwasser könnte das Jägerbataillon Niederösterreich bereits dabei sein. Trotz der angespannten Budgetsituation will sich General Bair aber auch für eine moderne Mannesausrüstung einsetzen, die den Soldaten nach Hause mitgegeben wird.

Das Bundesheer reduziert derzeit seine Dienstposten von ursprünglich 24.000 auf 20.500. Wenn es nach Brigadier Michael Schaffer geht, könnte die Armee gleich noch ein paar Tausend zusätzliche Beamte einsparen. Denn Schaffer, Chef der Milizverbände, hält den Anteil von Beamten nach wie vor für zu hoch. Sein Credo: "Mehr Miliz statt einem teuren stehenden Heer." In einer Zeit, wo die Personalkosten bereits 70 Prozent des Gesamtbudgets verschlingen, wäre das ein Gebot der Stunde. Auf reiner Freiwilligkeit, wie das derzeit der Fall ist, könne man diese Milizarmee natürlich nicht aufbauen. Es müssten wieder verpflichtende Waffenübungen eingeführt werden. Dafür könnte man ähnlich wie in der Schweiz die Wehrpflicht splitten. Etwa vier Monate Grundausbildung, die restlichen zwei Monate als spätere Waffenübungen.

Bezüglich der Umsetzung ist Schaffer aber skeptisch. Er wittert noch immer eine Vorliebe für eine Berufsarmee im (roten) Verteidigungsministerium. Beispielsweise sei zehn Monate nach dem Abgang des Milizbeauftragten Heinz Hufler noch immer kein Nachfolger bestellt.

Der radikale Sparkurs beim Bundesheer schlägt voll auf die Truppe und damit auf die Stimmung durch. Offiziere von Führungsstäben müssen ihre Helme, Feldflaschen und Feld-Essbestecke abgeben, damit noch ein paar Soldaten draußen damit versorgt werden können. Sie dürfen nicht mehr Scharfschießen. Alte Uniformhemden werden so umgeschneidert, dass sie wie die neuen Uniformen aussehen.

Die Armeeführung hat auch beschlossen, 700 Geländefahrzeuge "Pinzgauer" auszuscheiden, weil das Geld für die Ersatzteile fehlt. In der Kaserne St. Michael befindet sich eine der modernsten Allradwerkstätten Europas. Und der Werkstättenleiter, Vizeleutnant Robert Leitner und seine Mechanikerkollegen müssen nun beschäftigungslos zuschauen, wie sich die Fahrzeughallen leeren. Die Heerestechniker wissen nicht, was aus ihnen werden soll. Sie haben aber auch noch fünf Lehrlinge. Die wollen sie wenigstens noch über die Runden bringen. Deshalb organisieren sie bei Autohändlern zivile Schrottautos, an denen die Lehrlinge werken können.

Bewegungsunfähig

Auch der Bundesheergewerkschafter Peter Schrottwieser, VP, kann ihnen nicht sagen, wie es weitergeht. Und er fürchtet gravierende Folgen für das ganze Bundesheer: "Einen Hochwassereinsatz wie im Jahr 2002 mit 10.000 Mann können wir nicht mehr durchführen, weil keine Fahrzeuge mehr vorhanden sind, mit denen sie rasch an einen Einsatzort gebracht werden können. Wir haben längst den Punkt erreich, wo man nicht mehr von einer ernst zu nehmenden Kleinarmee sprechen kann."

Endzeitstimmung herrscht auch am Fliegerhorst Zeltweg. Flieger-Gewerkschafter Günther Tafeit: "Sie fahren uns gegen die Wand." Er hält die Einsparungen für höchst kontraproduktiv. Wegen fehlender Flugstunden wurden bereits vier Eurofighterpiloten ausgeschieden. Die Ausbildung jedes einzelnen Piloten kostet acht Millionen Euro. Die verbleibenden Piloten würden schlecht behandelt. So musste in einem Fall die Gewerkschaft einen Arbeitsgerichtsprozess androhen, weil ein Pilot zwei Wochen vor Ablauf seines Dienstvertrages noch keine Information über eine Verlängerung hatte. Tafeit befürchtet, dass künftige Eurofighter-Piloten nicht mehr 30 Jahre lang zur Verfügung stehen. Sie würden vielmehr nach Ablauf der ersten zehn Jahre zu zivilen Fluglinien "abbiegen", was die Ausbildungskosten für das Heer natürlich enorm steigert.

Tafeit: "Ab jetzt gibt es einen knallharten Leistungsverzicht, wir verbluten. Auf der Strecke bleiben die Luftraumüberwachung, der Katastrophenschutz und die Luftunterstützung. Was jetzt passiert, ist verantwortungslos."

Der Bundesheergewerkschafter Manfred Haidinger, FP, sieht weiters die geplante Attraktivierung des Wehrdienstes gescheitert: "Der Generalstab entzog über Nacht den Streitkräften mehr als 90% des Überstundenbudgets." Damit könne nur mehr Dienst nach Vorschrift gemacht werden.

Demontage

Höchst alarmiert ist auch der SP-Gewerkschafter Hans Georg Wallner aus Salzburg, der in einem Brief an Bundeskanzler Werner Faymann festhält: "Seit Wochen wird nun das Bundesheer durch deinen Regierungskollegen Gerald Klug und Finanzminister Spindelegger finanziell ausgehungert und in der Folge daraus demontiert." Wallner fordert den Bundeskanzler auf, dagegen einzuschreiten.

Während höhere Dienstränge diskutieren, einen gemeinsamen Protestbrief zu schreiben, hauen die kleineren Dienstränge längst in die Tasten. So haben 17 junge Offiziersanwärter eines Ausbildungskurses in Bruckneudorf einen offenen Brief an Minister Klug und Bundespräsident Heinz Fischer verfasst. Darin heißt es: "Ist der Bundesregierung die Sicherheit Österreichs egal? Ist es verantwortbar, dass Grundwehrdiener mit einer viel zu kurzen und in manchen Bereichen nur marginalen Ausbildung als Soldaten bezeichnet werden und im Ernstfall ins Gefecht geworfen werden könnten? Sind Sie sich im Klaren, wie die Stimmung im Kaderpersonal ist?" Antwort haben sie bisher keine bekommen.

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