"Letzte Generation" will mit Protesten den ganzen Sommer weitermachen

"Letzte Generation" will mit Protesten den ganzen Sommer weitermachen
Mittlerweile wird nicht mehr nur geklebt. Die Aktivisten setzen laufend auf neue Formen des "zivilen Ungehorsams". Wien im Fokus.
  • Dienstag, 7. Mai: Die Bewohner des Nobelbezirks Hietzing werden von Trommelwirbel aus dem Schlaf gerissen. Zwei Stunden lang schlagen Aktivisten der "Letzten Generation" auf Kochtöpfe - einen Feueralarm für die drohende Klimakatastrophe nennen sie das. 
  • Donnerstag, 9. Mai: Eine Aufführung von Goethes "Faust" muss im Burgtheater unterbrochen werden, nachdem die Aktivisten die Bühne besteigen und dort auf Transparenten ihr "Recht auf Überleben" einfordern. 
  • Freitag, 10. Mai: Die "Letzte Generation" legt in Wien auf der Ostautobahn den Frühverkehr lahm. Die Umweltschützer verwandeln die Fahrbahn in einen Radweg und hindern die Autos mit Skateboards, Zwei- und Dreirädern am Weiterkommen. 

Die vergangenen Tage zeigen, dass man den Klimaschützern der "Letzten Generation" viel vorwerfen kann. Mangelende Konsequenz gehört aber definitiv nicht dazu. Die Aktivisten kündigten sowohl eine neue Protestwelle in der Bundeshauptstadt als auch neue Formen des öffentlichen Widerstands an - beides wird derzeit zum Ärger vieler beinahe täglich umgesetzt.

Will die "Letzte Generation" also weg vom Image der reinen "Klimakleber", um die Forderungen an die Politik, darunter die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung oder Tempo 100 auf der Autobahn, zu erreichen? Nicht unbedingt. Erst am Mittwoch klebten sich die Aktivisten auf der Wiener Südosttangente in Autos fest, mit denen sie zuvor den Verkehr zum Erliegen gebracht hatten. Die Feuerwehr musste schließlich die Fahrzeuge samt Insassen abschleppen, um die Autobahn wieder freizugeben.

"Letzte Generation" will mit Protesten den ganzen Sommer weitermachen

Die "Letzte Generation" auf der Bühne im Burgtheater

Laut dem Umweltpsychologen Thomas Brudermann von der Uni Graz haben die durchaus kreativen neuen Protestformen auch damit zu tun, dass man mit den reinen Klebeblockaden auf der Straße nicht mehr die gewünschte Aufmerksamkeit erweckt habe: "Die Intention hinter den neuen Protestformen ist es wohl, die angestrebten Ziele durch Abwechslung im öffentlichen Diskurs zu halten."

"Events" in Bundesländern als Ziel

Neu ist auch, dass zuletzt Aktionen immer wieder auf Messenger-Diensten und Social Media angekündigt wurden. Das hatte laut Mina Hagen-Canaval, Sprecherin der "Letzten Generation" aber vor allem praktische Gründe: "Wir sind mittlerweile so groß, dass es in vielen Fällen nicht mehr möglich ist, Aktionen bis zu Beginn geheim zu halten." Ausbremsen lasse man sich davon aber nicht: "Solange die Politik den Ernst der Lage nicht erkennt, ist kein Ende absehbar. Wir wollen den ganzen Sommer über weitermachen."

Im Fokus stehe dabei der "Wasserkopf Wien". Spontane Aktionen seien aber in allen Bundesländern möglich - man habe dabei speziell Veranstaltungen im Visier, wie zuletzt beim Rechbergrennen, ein Motorsportevent in der Steiermark, dessen Start durch Blockaden verzögert wurde oder bei einem Konzert von Andreas Gabalier in Ischgl, als Aktivisten die Bühne stürmten.

Davon, dass mittlerweile regelmäßig Demonstranten festgenommen werden, wollen sich Hagen-Canaval und ihre Mitstreiter übrigens nicht einschüchtern lassen. Diese Woche veröffentlichte die Wiener Polizei Zahlen, wonach allein seit Jahresbeginn 200 Mitglieder der Klimaschutzvereinigung festgenommen und mehr als 270 angezeigt wurden. "Versammlungen sind von der Verfassung geschützt, mit solchen Drohgebärden will die Polizei nur zeigen, dass sie was gegen uns tut. Eigentlich sollte man sich im Innenministerium aber überlegen, was man für das Klima tun kann."

"Letzte Generation" will mit Protesten den ganzen Sommer weitermachen

Die Autobahn wurde zum Radweg umfunktioniert - zumindest bis die Polizei kam

Dass sich nicht alle Klimaschützer für ihre Ideale mit der Polizei anlegen wollen, hat man aber auch bei der "Letzten Generation" eingesehen. Deshalb fand unlängst eine angemeldete Kundgebung vor dem Parlament statt. Interessierte konnten dort am Gehweg "probekleben", ganz ohne den Verkehr zu behindern. So wolle man die Barrieren, "die Luft des zivilen Ungehorsam zu schnuppern", möglichst gering halten, heißt es. Ob und wie viel die unterschiedlichen Formen des "zivilen Ungehorsams" bewirken, ist aber ohnehin umstritten. Laut Wissenschaft ist es der Nutzen derzeit kaum quantifizierbar. "Was wirklich erreicht wurde, werden wir erst später durch historische Betrachtungen sagen können", meint dazu Forscher Brudermann. 

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