Eva Müller (Name von der Redaktion geändert) war mehr als 40 Jahre Lehrerin an einer Wiener Ganztagsvolksschule in einem Brennpunktbezirk. Als sie zu arbeiten begann, waren alle ihre Schülerinnen und Schüler Österreicher. In ihrer letzten Klasse war kein einziges Kind mit deutscher Muttersprache mehr in ihrer Klasse. Sie kennt also die Probleme und weiß, was sich im Bildungssystem ändern müsste, damit alle Kinder am Ende der Schulzeit lesen, schreiben, rechnen können.
Eltern müsse man in die Pflicht nehmen, aber auch die Schulleitungen und Bildungsdirektion müssten endlich ihre Aufgaben wahrnehmen. In den ersten zwei Volksschulklassen würde sich kleinere Klassen aufmachen - und sie hat eine Idee, woher das Personal kommen soll.
Mehr Ressourcen für den Kindergarten
"Wir müssten viel mehr in die Frühförderung investieren. Die Kinder kommen oft mit solchen Defiziten in die Schule, dass das selbst die besten Lehrerinnen nicht mehr geradebiegen können. Hier sind die Eltern gefragt. Kinder nur vors Handy zu setzen, reicht jedenfalls nicht. Wer sich einen Hund nimmt, muss einen Kurs besuchen, Eltern müssten auch eine Ausbildung durchlaufen!"
Auch im Kindergarten müsse sich viel ändern: "Die Gruppen sind derzeit viel zu groß - die Pädagoginnen können Kinder nicht ausreichend fördern, wenn eine Kindergärtnerin auf 20 Kinder kommt." Genauer hinschauen müsste man auch bei den privaten, vor allem islamischen, Kindergärten: „Da fehlt mir die staatliche Kontrolle.“
Ein Sprachtest für alle 3- bis 4-Jährigen
Mehr Kontrolle bräuchte es auch bei den Drei- bis Vierjährigen: "Ich wäre dafür, dass alle Kinder zum Sprachtest müssen. Sprechen sie zu schlecht Deutsch - was nicht nur Migrantenkinder betrifft - dann sollten sie zu einer entsprechenden Förderung verpflichtet werden, samt der Eltern, wenn nötig. Bei Verweigerung würde ich die Kürzung der Familienbeihilfe androhen und wo nötig auch durchführen." Integration ist in den Augen von Frau Müller auch eine Bringschuld.
Das würde sicher effizienter sein als die Forderung mancher Experten, man solle die Kinder besser durchmischen: „Wollen Sie die Buben und Mädchen in Döbling 4 Jahre lang täglich in den Bus setzen, um sie nach Favoriten zu schicken?“, fragt Müller. „Das ist doch nicht praktikabel, und die Eltern würden da sicher auch nicht zustimmen“, gibt sie zu bedenken. Außerdem zweifelt sie daran, dass alle Kinder davon profitieren, wenn man die Klassen so mischt. „Es hängt natürlich von den Schülern ab – aber ich würde sagen, mehr als 30 bis maximal 40 Prozent an Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, geht nicht. Da können die Kinder nicht voneinander Deutsch lernen und die deutschsprechenden Kinder werden wegen Überforderung der Lehrperson weniger lernen.“
Verpflichtende Deutschkurse auch für die Eltern
Apropos Deutsch: „Man sollte die Eltern mehr in die Pflicht nehmen. An unserer Schule gab es zum Beispiel den Kurs, Mama spricht Deutsch“. Allerdings haben einige Männer ihren Frauen verboten, daran teilzunehmen. Manchmal waren es aber auch die Frauen selbst, die das nicht wollten."
Ein Problem haben nicht nur die Erwachsenen mit der deutschen Sprache: "Ich habe erlebt, wie ein Bub aufs Ärgste auf Türkisch geflucht hat“, erinnert sich Eva. "Als die Lehrerin den Vater darauf angesprochen hat, dass das nicht geht, wurde die Pädagogin von der Schulleitung getadelt, weil sie dem Vater nicht sagen dürfe, dass sein Sohn Deutsch sprechen soll."
Die Falschen werden Direktor bzw. Direktorin
Der Vorfall sei ein Beispiel dafür, was in der Direktorenbestellung schieflaufe: "Die werden nach wie vor nach Parteibuch vergeben - Qualifikation spielt eine Nebenrolle." Schlimmer noch: "Manche Lehrpersonen werden nur Direktorin bzw. Direktor, weil sie im Klassenzimmer überfordert sind." Eva Müllers Resümee: „Die Direktorenbestellung müsste professionalisiert werden – eine gute Schulleitung ist für den Lernerfolg der Kinder extrem wichtig!“
Sie weiß von einer Kollegin, die Schulleiterin werden wollte: „Ihr wurde gesagt: Ohne Parteibuch geht es sicher nicht.“
Lehramtsstudenten besser auswählen
Nicht nur bei der Wahl der Schulleiter müsste sich etwas ändern, auch bei der Auswahl der Lehrkräfte bzw. der Studentinnen und Studenten: „Ich wäre dafür, dass sie das erste halbe Jahr ihres Studiums in der Klasse stehen müssten – natürlich nicht allein. Da zeigt sich schnell, wer geeignet ist.“ Derzeit würde jeder und jede genommen und kommt auch durch das Studium.
Das Studium breitet nicht auf die Praxis vor
Die Pädagogische Hochschule (PH) bereite die jungen Menschen allerdings viel zu wenig auf das vor, was im Klassenzimmer auf sie zukommt. „Im Studium ist alles viel zu abgehoben und theoretisch, die Praxis wird vernachlässigt und die disziplinären Probleme, die man im Beruf täglich zu bekämpfen hat, werden heruntergespielt.“ Hintergrund: „Auch auf den PHs gibt es Pädagogen, die vor dem Klassenzimmer fliehen und sich in die Hochschule geflüchtet haben. Was sollen gescheiterte Lehrer den Studenten vermitteln?“, sagt sie kopfschüttelnd. Sie selbst hat als Lehrerin erlebt, dass auch nur maximal jede zweite, verpflichtende Fortbildung für aktive Lehrer einen Nutzen hatte.
Vorschlag: kleinere Klassen in den ersten zwei Jahren
Auch viel kleinere Klassen wären an Schulen mit hohem Anteil nicht-deutschsprachiger Kinder sinnvoll - „in der 1. und 2. Klasse am besten nur zehn Kinder, weil vor allem in den ersten beiden Jahre die Beziehungsarbeit das Allerwichtigste ist.“ Davon ist Eva Müller überzeugt. „Derzeit werden Kinder während des Unterrichts so oft aus den Klassen genommen, weil zum Beispiel die Beratungslehrerin oder die Sprachförderlehrerin eine Zeit mit ihnen arbeitet. Das stört den Unterricht und die Beziehungsarbeit. Es wäre besser, diese spezialisierten Lehrkräfte würden auch in einer eigenen Klasse stehen – so könnte man kleinere Gruppen machen, ohne dass man mehr Lehrpersonen braucht.“
Sie meint auch, dass dann die Verantwortung für den Erfolg der Unterrichtsarbeit wirklich bei einer Person läge und nicht zwischen etlichen Lehrern hin- und hergeschoben werden könne. Auch die sehr umstrittenen Deutschförderklassen könnten so entfallen. Ab dem 3. Schuljahr könne man dann vermutlich jeweils 2 Klassen zusammenlegen, weil die Kinder dann mehrheitlich dem Unterricht gut folgen könnten.
Das Allerwichtigste in den ersten zwei Schuljahren sei und bleibe die liebevolle Beziehung zwischen Kind und Lehrkraft. "Die kann ich in einer kleinen Klasse besser aufbauen und ich kann wirklich individuelle Sprachförderung betreiben", erläutert Müller. Und noch einen Vorschlag hat sie: "Derzeit werden den Klassen ständig neue Kinder zugeteilt, viele können kein Wort Deutsch: Wie soll ich die integrieren?" Deshalb wäre es besser, wenn diese Kinder in "Pop-up Klassen" altersinhomogen separat nur in Deutsch unterrichtet würden und immer erst zum Start des neuen Schuljahrs in eine Klasse kommen.
Verpflichtende Sommerschule
Kinder mit Sprachdefiziten, die schon in der Volksschule sind, müssten auch zur Sommerschule verpflichtet werden dürfen: "Das können ruhig auch drei Wochen sein, gerne mit finanziellen Sanktionen, wenn die Kinder nicht erscheinen", meint Eva Müller. Auch bei den Freizeitpädagogen müsse man ansetzen: "Viele sprechen derzeit nur inkorrektes Deutsch, was gerade für Migrantenkinder fatal ist."
Kommentare