Lawinengefahr: Föhnsturm sorgt in Salzburg für erhebliches Risiko

APA6955266 - 20022012 - ST. CHRISTOPH - ÖSTERREICH: ZU APA 133 CI - THEMENBILD - Illustration zum Thema "Lawinen, Lawinengefahr": Ein Lawinenwarnschild mit der Aufschrift "Lawinengefahr", aufgenommen am 14.03.2005 in St. Christoph, Arlberg (ARCHIVBILD). Die Risikobereitschaft der Skifahrer, im freien Gelände ihre Spuren zu ziehen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. APA-FOTO: BARBARA GINDL
Gefahrenstellen oft von Neuschnee verdeckt. Einsamer Ski löste Suchaktion in Tirol aus.

"Der Wind ist der Baumeister der Lawinen." Der klassische Spruch des deutschen Geologen und Lawinenforschers Wilhelm Paulcke (1873-1949) traf die Lawinensituation in Salzburg zu Beginn der Woche wohl am besten. Die größte Gefahr für Wintersportler geht vom Triebschnee aus, den der massive Föhnsturm vom Sonntag insbesondere in den Tauern und in den Nockbergen produziert hat.

Im ganzen Bundesland gilt verbreitet Lawinenwarnstufe 3 ("Erheblich"), nur in den Grasbergen und in der Osterhorngruppe ist die Situation etwas günstiger. Hier wies der Salzburger Lawinenlagebericht am Montagvormittag Salzburg Stufe 2 ("Mäßig") aus. Das Risiko steigt mit der Höhe markant an, in den windgeschützten Lagen unterhalb der Baumgrenze ist die Gefahr laut den Experten des Lawinenwarndienstes geringer.

Schnee verdeckt heikle Stellen

Aufpassen heißt es für Tourengeher und Variantenfahrer nicht nur in der Nähe der Kämme, heikle Verwehungen sind auch anderswo entstanden. Vor allem dort, wo der starke Wind den Schnee nahezu vollständig abgeblasen und in Rinnen und Mulden getragen hat, ist enorme Vorsicht geboten. Zumal der frische Neuschnee die Gefahrenstellen oft verdeckt.

Weil der Wind aus dem Süden kam, sind vor allem Hänge in den Sektoren Nordwest bis Südost heikel. In der Gegenrichtung - also auf den sonnseitigen Hängen - sind im Tagesverlauf auch einzelne Gleitschneerutsche möglich. Stoßen Skifahrer auf "Schneemäuler" - also markante Risse im Schnee - sollten Hänge gemieden werden. Schneemäuler galten früher fälschlicherweise als Garant für sichere Abfahren, als richtig hat sich vielmehr das Gegenteil herausgestellt. An der Lawinensituation in Salzburg dürfte sich in den nächsten Tagen nicht viel ändern. Der "Dreier" für die meisten Landesteile wird aufrecht bleiben.

Nach dem Lawinenabgang mit fünf Toten in Tirol am Samstag haben die Experten des Lawinenwarndienstes am Montag weiter vor derzeit ungünstigen Skitourenverhältnissen in Tirol gewarnt. Sie stuften die Gefahr oberhalb von etwa 2.000 Metern verbreitet als erheblich, also mit Stufe "3" der fünfteiligen Skala ein.

Vor allem frische Triebschneeansammlungen seien störanfällig und könnten schon durch geringe Zusatzbelastung als Lawinen ausgelöst werden. Aufgrund des sehr schwachen Fundaments der Schneedecke könnten ausgelöste Lawinen auch gefährlich groß werden, warnten die Experten. Die Gefahrenstellen würden in steilen Hängen aller Richtungen oberhalb von etwa 2.000 Metern liegen. Besonders an den Übergängen von viel zu wenig Schnee ließen sich Lawinen sehr leicht auslösen. In diesen Bereichen entspreche die Auslösewahrscheinlichkeit oft schon der Stufe "4", teilte der Lawinenwarndienst mit.

Zudem seien auch Selbst- und Fernauslösungen von Lawinen möglich und dies auch im flachen Gelände. Skitouren und Variantenfahrten würden daher Erfahrung in der Beurteilung der Lawinensituation erfordern. Die Tourenmöglichkeiten seien eingeschränkt.

Einsamer Ski löste Suchaktion aus

Indes löste ein einsamer Ski und mehrere Skispuren im Anrissbereich einer Lawine beim Gaislachkogel in Sölden in Tirol (Bezirk Imst) am Sonntag eine Suchaktion aus. Die Rettungsmannschaften konnten jedoch laut Polizei keinen Verschütteten finden. Der Besitzer des entdeckten Ski sei bisher nicht bekannt.

Insgesamt 67 Mitglieder der Bergrettung, der Alpinpolizei sowie freiwillige Helfer suchten den Lawinenkegel zunächst mithilfe von Lawinenverschüttetensuchgeräten ab. Nachdem dies erfolglos blieb, wurde in weiterer Folge mit Sondierketten und Hunden nach möglichen Verschütteten gesucht. Der Einsatz wurde schließlich gegen 17.00 Uhr ergebnislos abgebrochen.

Die Lawinengefahr in Niederösterreichs Bergregionen wird am Montag bis Mittag auf "mäßig" (Stufe zwei auf der fünfteiligen Skala) steigen, berichtete der Warndienst. Die Schneebrettgefahr sei gesunken, zu rechnen sei aber mit Nassschneelawinen, die sich aus steilem Gelände und Buchenwäldern spontan lösen können. Diese könnten auch exponierte Verkehrswege betreffen, wurde gewarnt.

Am Dienstagabend wird Regen in den Ybbstaler Alpen prognostiziert, die Schneefallgrenze soll rasch auf rund 1.000 Meter Seehöhe sinken. In der Nacht auf Mittwoch breitet sich der Niederschlag auf die östlichen Gebirgsgruppen Niederösterreichs aus, der Regen geht auch in tieferen Lagen in Schneefall über. Ab Mittwoch werden Probleme mit Triebschnee erwartet.

Wind und Neuschnee haben zu Wochenbeginn in Kärnten für einen Anstieg der Lawinengefahr gesorgt. In den Hohen Tauern, in den Karnischen Alpen sowie in den Karawanken wurde die Gefahr vom Lawinenwarndienst des Landes als erheblich - Stufe drei der fünfteiligen Skala - eingestuft. Weiterer Schneefall unter starkem Wind wird erwartet, eine Entschärfung der Situation war damit nicht in Sicht.

Innerhalb von 24 Stunden waren in den Karnischen Alpen 30 Zentimeter Schnee gefallen, 20 Zenitmeter gab es in den Karawanken und zehn in den Hohen Tauern. Bei erheblicher Gefahr sind Lawinen schon bei geringer Zusatzbelastung möglich, vereinzelt kann es auch zu spontanen Abgängen kommen. Schlechte Sicht und weiterer Schneefall erschwerten die Einschätzung der konkreten Gefahr zusätzlich.

Weniger gefährlich war es am Montag in den Bergen zwischen Gail-und Drautal sowie in den westlichen Gurktaler Alpen. Hier herrschte mäßige Lawinengefahr. Weitgehend geringes Risiko gingen Wintersportler im freien Gelände der östlichen Gurktaler Alpen, auf der Sau- wie auf der Koralpe ein.

Schauplatz des bisher katastrophalsten Lawinenunglücks der Nachkriegszeit in Österreich war 1954 Blons in Vorarlberg. Vom 10. bis 12. Jänner waren in ganz Vorarlberg über 300 Lawinen abgegangen, die 125 Menschenleben forderten. Allein in Blons gab es 56 Tote, womit der Ort ein Sechstel der Einwohner verlor. In Galtür und im benachbarten Valzur in Tirol gab es 1999 bei zwei Katastrophen 38 Tote.

31. 3. 1963: Ein Lawinenabgang im Gebiet der Kematneralm in Tirol fordert neun Menschenleben.

2. 3. 1964: Im Pitztal (Tirol) wird eine Gruppe von 17 Skifahrern verschüttet, sechs von ihnen kommen ums Leben.

2. 3. 1965: Auf der Radstädter-Tauernstraße wird ein Autobus unter Schneemassen begraben. 14 Businsassen sterben.

29. 3. 1965: Eine Nassschneelawine erfasst beim Eingang des Felbertauerntunnels in Osttirol einen Arbeiterbus: sechs Tote.

27. 1. 1968: In der Gemeinde Klösterle (Vorarlberg) begräbt eine Lawine ein Wohnhaus unter sich. Ein umgestoßener Ofen verursacht einen Brand, bei dem alle acht Hausbewohner umkommen.

4. 2. 1973: Zehn Todesopfer fordert ein Lawinenabgang im Gebiet von Gerlos im Zillertal in Tirol

27. 2. 1973: Zehn Arbeiter werden auf der Straße zwischen Böckstein und Sportgastein in Salzburg von Schneemassen verschüttet. Sechs kommen dabei ums Leben.

21. 12. 1974: In der Nähe von Kitzbühel erfasst ein Schneebrett eine 15-köpfige Skifahrergruppe. Neun Menschen sterben.

31. 12. 1974: Drei Skifahrer treten bei Gargellen (Vorarlberg) eine Lawine los, die zwölf andere Sportler mitreißt und diese tötet.

31. 3. 1975: In Mallnitz (Kärnten) wird eine Feriensiedlung der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft von einer Lawine verschüttet: acht Tote.

31. 12. 1977: Bei einem Lawinenunglück im Loferer Hochtal (Salzburg) kommen acht Menschen ums Leben.

31. 1. 1982: Trotz einer Warnung unternimmt eine deutsche Schülergruppe eine Skiwanderung zur Elmaualm in Werfenweng (Salzburg). Die Gruppe wird von einer Nassschneelawine erfasst, zehn Jugendliche und drei Erzieher kommen um.

5. 4. 1987: Im Paznauntal werden acht Skifahrer außerhalb der gesicherten Piste von einem Schneebrett erfasst. Sechs von ihnen sterben.

14. 2. 1988: In den Stubaier Alpen löst eine Skifahrergruppe ein Schneebrett aus. Vier Menschen werden tot geborgen. Beim Abtransport eines Opfers stürzt der Rettungshubschrauber Christophorus 1 ab, wobei der Arzt und ein Sanitäter ums Leben kommen.

13. 3. 1988: Eine Staublawine verschüttet in St. Anton rund 30 Häuser. Fünf schwedische Urlauber und zwei einheimische Frauen werden getötet.

28. 3. 1988: Beim Abgang mehrerer Schneebretter werden zwei Skifahrergruppen verschüttet. Sechs Menschen finden bei der Jamtalhütte (Gemeinde Galtür/Paznauntal) in Tirol den Tod.

23. Februar 1999 - Nach tagelangen Schneefällen rast eine Lawine in den Tiroler Skiort Galtür. Fünf Meter hohe Schneemassen türmen sich in der Ortschaft. 31 Menschen kommen ums Leben. 22 Verschüttete werden lebend geborgen. Nur einen Tag später schlägt der "Weiße Tod" im Nachbarort Valzur erneut zu. Dabei kommen weitere sieben Menschen ums Leben. In Vorarlberg sterben im Skigebiet von Gargellen eine 32-Jährige und ein 30-Jähriger.

28. Dezember 1999 - Im Tiroler Jamtal werden unweit von Galtür entfernt 13 Menschen verschüttet. Neun Personen sterben. Die erfahrenen Tourengeher waren von einer Lawine überrascht worden.

28. März 2000 - Im Mühlbachtal im Gemeindegebiet von Niedernsill (Pinzgau/Salzburg) fordert eine Lawine zwölf Todesopfer. Die Gruppe wird in einer Höhe von 2.700 Metern von den gigantischen Schneemassen mitgerissen, die rund 500 Meter breit,1,5 Kilometer lang und teilweise zwölf Meter tief sind.

2. Mai 2009 - Im Gebiet des Tiroler Nobelskiortes Sölden geraten sechs tschechische Urlauber in eine Lawine, alle sterben. 2009/2010 gab es in Österreich 37 Lawinentote.

6. Februar 2016 - In Wattenberg (Wattener Lizum) in Tirol werden 13 tschechische Wintersportler verschüttet. Die Bilanz: fünf Tote und zwei Verletzte.

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